Stellungnahme zum Antrag Geschlechtergerechtigkeit am Thüringer Arbeitsmarkt stärken (Drs. 8/317)
von Peter Kießling
Die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege Thüringen wurde im Rahmen des Anhörungsverfahrens zum Antrag „Geschlechtergerechtigkeit am Thüringer Arbeitsmarkt stärken“ um eine Stellungnahme gebeten. Wir machen darin deutlich, dass Gleichstellung am Arbeitsmarkt nur gelingt, wenn strukturelle Rahmenbedingungen verbessert werden: durch tariflich refinanzierte Löhne, bessere Arbeitsbedingungen, gerechte Karrierechancen und eine gezielte Förderung von Frauen – insbesondere in der Sozialwirtschaft, wo rund 80 % der Beschäftigten weiblich sind.
Wir betonen die Bedeutung von Tarifbindung, Familienfreundlichkeit und inklusiven Arbeitsstrukturen sowie den Abbau von Barrieren für Frauen mit Migrationsgeschichte und Frauen mit Behinderungen. Gleichstellungspolitik muss als investive Aufgabe verstanden werden – mit klarer Refinanzierung, planbaren Förderstrukturen und verlässlicher Unterstützung für gemeinnützige Träger.
Im Folgenden gehen wir auf die folgenden Fragestellungen der Anlage 3 ein.
1. Wie kann aus lhrer Sicht betriebliche Mitbestimmung gestärkt werden, um Geschlechtergerechtigkeit aktiv zu fördern — insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen in Thüringen?
- Stärkung der Betriebsräte: Betriebsräte können aktiv Maßnahmen zur Gleichstellung vorantreiben, indem sie sich für faire Löhne, flexible Arbeitszeiten und familienfreundliche Regelungen einsetzen.
- Sensibilisierung und Schulungen: Unternehmen können Schulungen zu Geschlechtergerechtigkeit anbieten, um Vorurteile abzubauen und eine inklusive Unternehmenskultur zu fördern.
- Förderung von Frauen in Führungspositionen: Durch gezielte Programme und Mentoring können Frauen ermutigt werden, Führungsrollen zu übernehmen.
- Transparente Gehaltsstrukturen: Offenlegung von Gehältern kann helfen, geschlechtsspezifische Lohnunterschiede zu reduzieren.
- Anpassung gesetzlicher Rahmenbedingungen: Das Thüringer Gleichstellungsgesetz bietet eine rechtliche Grundlage für Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit und könnte weiterentwickelt werden, um kleine und mittelständische Unternehmen stärker einzubeziehen.
- Netzwerke und Kooperationen: Unternehmen können sich mit Gleichstellungsinitiativen vernetzen, um Best Practices auszutauschen und gemeinsame Strategien zu entwickeln, wie sie etwa auf der Plattform der Gleichstellungsbeauftragten von Thüringen diskutiert werden.
- Ein Beispiel aus den LIGA-Verbänden: Die AWO führt regelmäßig Gleichstellungsberichte durch und leitet daraus Maßnahmen zur Personal- und Organisationsentwicklung ab.
2. Welche Formate partizipativer Politikgestaltung halten Sie für sinnvoll, um politische Maßnahmen bedarfsgerecht zu entwickeln?
- Neben Anhörungen können Runde Tische, Expert*innengremien, Fachforen den politischen Diskurs bereichern. Bestenfalls vor Anhörungen und Gesetzesinitiativen.
- Zu bedenken geben wir, dass im Vorfeld ein Überblick vorhanden sein muss, welche (Beteiligungs-)Gremien bisher zu dem Thema arbeiten, um keine Parallellstrukturen aufzubauen.
4. Was sind aus Ihrer Sicht konkrete Hemmnisse bei der Aufwertung frauendominierter Berufe wie Pflege oder Erziehung und welche Rolle spielen dabei Tarifbindung und Arbeitsbedingungen in Thüringen?
Konkrete Hemmnisse
- Geringe gesellschaftliche Anerkennung: Pflege- und Erziehungsberufe werden oft als „typische Frauenberufe“ angesehen und gesellschaftlich weniger wertgeschätzt.
- Niedrige Löhne: Trotz hoher Verantwortung und Belastung sind die Gehälter in diesen Berufen oft niedriger als in männlich dominierten Branchen.
- Hohe Arbeitsbelastung: Der Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel führt zu Überlastung, langen Arbeitszeiten und wenig Raum für berufliche Weiterentwicklung.
- Fehlende Karriereperspektiven: Es gibt wenige Aufstiegsmöglichkeiten, was die Attraktivität dieser Berufe weiter senkt.
- Tarifflucht: Wenn Unternehmen nicht tarifgebunden sind, führt das zu schlechteren Arbeitsbedingungen und niedrigeren Löhnen.
- Viele Frauen übernehmen nach wie vor überwiegend unbezahlte Sorgearbeit (Kinder, pflegebedürftige Angehörige).
- Ein zentrales Karrierehemmnis bleibt die überdurchschnittlich hohe Teilzeitquote – insbesondere unter Frauen – in den Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit. Dies ist nicht nur eine individuelle Entscheidung der Arbeitnehmer*innen, sondern oftmals strukturell bedingt. Zu nennen sind hier auch die (unzureichenden) Refinanzierungsbedingungen, die wenig Spielräume für gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen bieten bzw. zu Lasten der Nutzer*innen sozialer Dienstleistungen gehen.
Rolle der Tarifbindung und Arbeitsbedingungen in Thüringen
- Thüringen gehört zu den Bundesländern mit einer der niedrigsten Tarifbindungen in Deutschland. Beschäftigte in nicht-tarifgebundenen Betrieben verdienen weniger als in tarifgebundenen Betrieben.
- Hohe Arbeitsbelastung, Schichtdienste und geringe finanzielle Anerkennung erschweren die Attraktivität dieser Berufe.
Mögliche Maßnahmen zur Aufwertung
- Stärkere Tarifbindung: Eine höhere Tarifbindung könnte zu besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen führen.
- Gesellschaftliche Kampagnen: Mehr Sichtbarkeit und Anerkennung für Pflege- und Erziehungsberufe.
- Politische Maßnahmen: Gesetzliche Regelungen zur besseren Bezahlung und Arbeitszeitgestaltung.
- Karriereförderung: Mehr Weiterbildungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen.
Die Kombination aus tariflicher Absicherung und strukturellen Verbesserungen könnte dazu beitragen, diese Berufe attraktiver zu machen.
6. Welche Mechanismen führen aus Ihrer Sicht dazu, dass insbesondere Frauen mit Migrationshintergrund und Frauen mit Behinderungen schlechtere Arbeitsmarktchancen haben?
- Zum einen gibt es strukturelle Hemmnisse, wie die fehlende Anerkennung der Berufsabschlüsse, die im Ausland erworben wurden. Hochqualifizierte Frauen arbeiten weniger in ihrem ursprünglichen Berufsfeld und nehmen aus der Not prekäre Beschäftigungsverhältnisse an.
- Sprachbarrieren schränken die Chance auf höher qualifizierte Beschäftigungen ein.
- Migrantische Frauen haben weniger hilfreiche soziale Netzwerke für die berufliche Weiterentwicklung. Daher sind empowernde Projekte / Angebote von und für migrantische Frauen besonders hilfreich, um sich beruflich zu orientieren und Kompetenzen zu erlernen.
- Diskriminierung und Vorbehalte gegenüber migrantischen Frauen führen ebenso dazu, dass diese Frauen geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Hier kommt es sehr auf die Unternehmenskultur und dessen Leitlinien an.
- Die folgenden strukturellen Barrieren führen ebenso dazu, dass insbesondere Frauen mit Migrationshintergrund und Frauen mit Behinderungen schlechtere Arbeitsmarktchancen haben:
- fehlende, bedarfsgerechte Kinderbetreuungsangebote und Assistenangebote z.B. angedockt an Integrationskurse
- fehlende bedarfsgerechte Förderangebote, daraus resultierend weitere Anfahrt.
- eingeschränkte Mobilität und Barrierefeiheit – insbesondere im ländlichen Raum
- lange und komplexe Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Qualifikationen
7. Inwiefern erscheint Ihnen eine Öffentlichkeitskampagne (beziehungsweise allgemeine Öffentlichkeitsarbeit der Thüringer Landesregierung) ...
... zur Sensibilisierung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in Thüringen für Arbeitszeit- und Arbeitsplatzmodelle, die mit der Kinderbetreuung und -beförderung oder der Pflege von Angehörigen vereinbar sind, sinnvoll und zielführend?
- Öffentlichkeitskampagnen zur Sensibilisierung von Arbeitgeber*innen für familienfreundliche Arbeitszeit- und Arbeitsplatzmodelle sind sinnvoll und können dazu beitragen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Solche Kampagnen können Arbeitgeber*innen über die Vorteile flexibler Arbeitszeiten, Telearbeit und betrieblich unterstützter Kinderbetreuung informieren und sie ermutigen, entsprechende Maßnahmen umzusetzen.
- Positiv Beispiel hierzu:
- Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) zeigt auf, dass familienfreundliche Arbeitsbedingungen nicht nur Beschäftigten helfen, sondern auch Unternehmen zugutekommen, indem sie die Motivation und Produktivität der Mitarbeitenden steigern. Auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bietet Leitfäden zur praktischen Umsetzung flexibler Arbeitszeitmodelle an, die Arbeitgeber*innen bei der Einführung solcher Maßnahmen unterstützen können.
- Ein weiterer Ansatz ist die betriebliche Kinderbetreuung, die in einem Praxisleitfaden des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beschrieben wird. Unternehmen können durch Kooperationen mit lokalen Einrichtungen oder eigene Betreuungsangebote die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern. [Quelle]
Solche Kampagnen sind besonders zielführend, wenn sie konkrete Best Practices aufzeigen und Unternehmen aktiv in die Gestaltung familienfreundlicher Maßnahmen einbinden.
13. Ist die „weibliche Erwerbsbiographie" die Ursache für die erhöhte Armutsgefahr ...
... von Frauen im Alter oder sind andere Faktoren, wie etwa längere Unterbrechungszeiten aufgrund von Care-Arbeit et cetera, ursächlich für eine erhöhte Armutsgefahr im Alter?
- Ja, die weibliche Erwerbsbiographie trägt maßgeblich zur erhöhten Armutsgefahr von Frauen im Alter bei. Frauen haben oft unterbrochene Erwerbsverläufe, arbeiten häufiger in Teilzeit oder in nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen. Dies führt zu geringeren Rentenansprüchen und einem sogenannten „Gender Pension Gap“.
- Besonders familienbedingte Nichterwerbsphasen wie Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen wirken sich negativ auf die Alterssicherung aus. Zudem sind Frauen häufiger in prekären Beschäftigungen tätig, was ihre finanzielle Absicherung im Alter weiter erschwert.
- Die strukturellen Ursachen dieser Problematik sind tief in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verankert. Maßnahmen wie eine bessere Anerkennung von Care-Arbeit, Reformen in der Rentenpolitik und eine stärkere Förderung von Frauen in gut bezahlten Berufen könnten helfen, die Altersarmut von Frauen zu reduzieren. Längere Unterbrechungszeiten aufgrund von Care-Arbeit sind ein wesentlicher Faktor für die erhöhte Armutsgefahr von Frauen im Alter. Frauen übernehmen nach wie vor einen Großteil der unbezahlten Sorgearbeit, sei es in der Kindererziehung, der Pflege von Angehörigen oder der Haushaltsführung. Dies führt dazu, dass sie weniger Zeit für Erwerbsarbeit haben und dadurch geringere Rentenansprüche erwerben.
- Der sogenannte Gender Care Gap zeigt, dass Frauen täglich über 40 % mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit aufwenden als Männer. Diese ungleiche Verteilung hat direkte wirtschaftliche Konsequenzen: Frauen haben oft niedrigere Einkommen, weniger Karrierechancen und letztlich eine schlechtere Altersabsicherung.
- Ein weiteres Problem ist die sogenannte Teilzeitfalle: Viele Frauen arbeiten in Teilzeit, um Care-Arbeit zu leisten, was langfristig ihre Rentenansprüche reduziert. Zudem sind Frauen häufiger in prekären Beschäftigungen tätig, die keine ausreichende soziale Absicherung bieten.
- Um diese strukturellen Nachteile zu verringern, könnten Maßnahmen wie eine gerechtere Verteilung der Sorgearbeit, bessere Rentenregelungen für Care-Arbeit und gezielte Förderprogramme für Frauen in gut bezahlten Berufen helfen.
14. Wie bewerten Sie die Zielgenauigkeit der Erhöhung des Mindestlohns ...
... mit Blick auf die angestrebte Armutsprävention von Frauen mit unterbrochenen Erwerbsbiographien? Mit welchen Modellen könnte sich Care-Arbeit von Frauen in der Pflege- und Rentenversicherung armutspräventiv niederschlagen?
Es gibt verschiedene Modelle, um Care-Arbeit von Frauen in der Pflege und Rentenversicherung armutspräventiv zu berücksichtigen:
- Anrechnung von Care-Arbeit in der gesetzlichen Rentenversicherung: Frauen, die Angehörige pflegen, können Rentenpunkte erwerben, wenn sie mindestens 10 Stunden pro Woche in der häuslichen Pflege tätig sind und die Pflegeversicherung Beiträge für sie zahlt.
- Ausgleichszahlungen für Care-Arbeit: Ein Modell sieht vor, dass der erwerbstätige Partner finanzielle Ausgleichszahlungen leistet, um die Rentenlücke der pflegenden Person zu verringern.
- Betriebliche Altersvorsorge für Care-Arbeit: Unternehmen könnten spezielle Rentenmodelle für Beschäftigte mit Care-Verantwortung anbieten, um deren Altersabsicherung zu verbessern.
- Private Vorsorgemodelle: Frauen können durch gezielte Sparpläne oder Investitionen in Wertpapiere ihre Altersvorsorge stärken.
- Staatliche Förderprogramme: Eine Reform der Rentenpolitik könnte eine bessere Anerkennung von Care-Arbeit beinhalten, etwa durch höhere Rentenpunkte oder steuerliche Vorteile für pflegende Angehörige.
16. Welche Maßnahmen wären geeignet, um gesellschaftliche Rollenbilder und Berufswahlmuster zugunsten geschlechtergerechter Entscheidungen zu verändern?
Das BMFSFJ beschreibt verschiedene Maßnahmen, die helfen können, traditionelle Rollenbilder aufzubrechen und eine gerechtere Berufswahl zu ermöglichen, z.B.:
- Frühe Bildung und Sensibilisierung: Geschlechtergerechte Bildung beginnt bereits in der Schule. Programme wie der Girls’ und Boys’ Day helfen, traditionelle Berufsbilder aufzubrechen und neue Perspektiven zu eröffnen. [Quelle]
- Geschlechterneutrale Berufsberatung: Eine gezielte Berufsorientierung kann dazu beitragen, dass junge Menschen ihre Berufswahl unabhängig von Geschlechterstereotypen treffen. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend setzt sich aktiv dafür ein, Geschlechterstereotypen in allen Lebensbereichen zu überwinden. [Quelle]
- Vorbildfunktion und Sichtbarkeit: Frauen in technischen Berufen und Männer in sozialen Berufen sollten stärker sichtbar gemacht werden, um Vorurteile abzubauen. [Quelle]
- Unterstützung durch Unternehmen: Unternehmen können durch gezielte Förderprogramme und Mentoring dazu beitragen, dass Frauen und Männer sich in „untypischen“ Berufen etablieren.
- Gesellschaftliche Kampagnen: Öffentlichkeitskampagnen und Initiativen wie die Initiative Klischeefrei fördern eine geschlechtergerechte Berufswahl und zeigen alternative Karrierewege auf. [Quelle]
17. Welche konkreten Hürden erleben Frauen mit Migrationsgeschichte und Frauen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt? Welche Maßnahmen eignen sich zur Reduktion dieser Hürden?
Frauen mit Behinderungen stehen auf dem Arbeitsmarkt vor besonderen Herausforderungen, da sie sowohl geschlechtsspezifische als auch behinderungsspezifische Benachteiligungen erfahren. Einige zentrale Hürden sind z.B.: Frauen mit Behinderungen werden oft doppelt diskriminiert – sowohl aufgrund ihres Geschlechts als auch ihrer Behinderung. Dies zeigt sich in geringeren Einstellungschancen und schlechteren Karriereperspektiven. Frauen mit Behinderungen verdienen im Durchschnitt weniger als Männer mit Behinderungen und Frauen ohne Behinderung. Besonders betroffen sind sie in Einkommenskategorien unter 1.000 Euro netto monatlich. Nur ein sehr geringer Anteil von Frauen mit Behinderungen arbeitet in leitenden Positionen, obwohl sie oft hoch motiviert sind, beruflich voranzukommen. Frauen mit Behinderungen arbeiten überdurchschnittlich häufig in Teilzeit, was ihre finanzielle Unabhängigkeit und Altersvorsorge beeinträchtigt. Zudem sind sie stärker durch Haushalts- und Familienaufgaben belastet.
Mögliche Maßnahmen zur Reduktion dieser Hürden:
Barrierefreie Arbeitsplätze: Unternehmen sollten ihre Arbeitsumgebungen anpassen, um physische und digitale Barrieren zu reduzieren.- Gezielte Förderprogramme: Mentoring-Programme und Weiterbildungsangebote können Frauen mit Behinderungen helfen, ihre Karrierechancen zu verbessern.
- Sensibilisierung und Antidiskriminierungsmaßnahmen: Schulungen für Führungskräfte und Mitarbeitende können helfen, Vorurteile abzubauen und eine inklusive Unternehmenskultur zu fördern.
- Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Flexible Arbeitszeiten und Unterstützungsangebote für Care-Arbeit können Frauen mit Behinderungen entlasten und ihre Erwerbschancen verbessern.
- Gesetzliche Maßnahmen und Quoten: Eine stärkere gesetzliche Verankerung von Inklusionsmaßnahmen und gezielte Förderungen für Frauen mit Behinderungen könnten ihre Position auf dem Arbeitsmarkt nachhaltig verbessern
Über die Beantwortung der o.a. Fragestellungen der Anlage 3 erlauben wir uns an dieser Stelle noch einige zentrale und übergreifende Hinweise und Positionierungen aus Sicht der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen zu formulieren.
- Tarifbindung braucht Refinanzierung: Tarifliche Entlohnung kann nur dann nachhaltig umgesetzt werden, wenn sie auch systematisch anerkannt und refinanziert wird. Hier stellt das Besserstellungsverbot in der Thüringer Landeshaushaltsordnung und dessen Umsetzung eine wesentliche Hürde dar.
- Gleichstellung ist investiv: Maßnahmen zur Gleichstellung – wie Frauenförderprogramme, betriebliche Altersvorsorge, Trainings, gezieltes Personalmarketing und -entwicklung – müssen in der Sozialwirtschaft kalkulierbar, refinanzierbar und förderfähig sein. Dies gilt für alle Handlungsfelder Sozialer Arbeit – von der Pflege über Kitas bis hin zur Migrationsarbeit.
- Gemeinnützigkeit als strukturelle Herausforderung: In der Logik des gemeinnützigen Sektors sind Investitionen in Personalentwicklung, Gleichstellung oder Innovationsprojekte besonders herausfordernd, da Überschüsse nicht zur freien Verfügung stehen.
- Beispiel Pflege: Hier zeigt sich das Dilemma besonders deutlich: Gleichstellung, faire Löhne und nachhaltige Arbeitsbedingungen werden eingefordert – ohne jedoch die strukturellen Voraussetzungen durch adäquate Finanzierung zu schaffen – zu Lasten der Pflegebedürftigen
- Beispiel Projektfinanzierungen: insbesondere befristete Projektfinanzierungen und fehlende Overheadfinanzierungen geben kaum Möglichkeit zur gezielten Frauenförderung
- Die Freie Wohlfahrtspflege ist relevant – auch für Gleichstellungspolitik: Die Freie Wohlfahrtspflege ist einer der größten Arbeitgeber im sozialen Bereich. Rund 80 % der Beschäftigten sind weiblich. Maßnahmen zur Gleichstellung müssen diesen Sektor daher prioritär berücksichtigen.
- Demografischer Wandel trifft Frauenberufe: Die Alterung der Gesellschaft verstärkt einerseits die Nachfrage in klassischen „Frauenberufen“ der Sozialwirtschaft. Der Rückgang von Kinderzahlen gefährdet auf der anderen Seite Beschäftigungsverhältnisse im Bereich der frühkindlichen Bildung, hier ist die Frauenquote oft sogar höher als 80%. Um dem begegnen zu können, müssen strukturelle Gleichstellung und Fachkräftesicherung zusammengedacht werden.