Stellungnahme zum Gesetzesentwurf „Fünftes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft (ThürSchfTG)“ - Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU, des BSW und der SPD

von Peter Kießling

Die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege begrüßt das Vorhaben von CDU, SPD und BSW, die Finanzierung Freier Schulen neu zu regeln. Nach Jahren der Verzögerung schafft der Gesetzentwurf eine belastbare Grundlage und stärkt die Planungssicherheit der Träger. Dennoch bedarf es am Gesetzentwurf Anpassungen, um notwendige Nachbesserungen sozial ausgewogen, verfassungskonform und praxistauglich zu verankern. Freie Schulen sichern verlässliche Bildungsangebote in der Fläche, stärken Teilhabe, Inklusion und pädagogische Qualität – und ergänzen das staatliche Schulwesen gemeinwohlorientiert.

Grundsätzliche Bewertung

Positiv hervorzuheben sind der vorgesehene Aufwuchs der Finanzhilfe ab 2026, der die im Gutachten ermittelten Kostenentwicklungen aufgreift sowie der Bürokratieabbau durch eine stichprobenbasierte Verwendungsnachweisprüfung. Ebenfalls richtig ist die Einführung einer Abrechenbarkeit von Overhead-Kosten bis zu 5 Prozent der Finanzhilfe, wodurch bislang ungesehene Verwaltungs- und Trägeraufwände verlässlich anerkannt werden.

Ein Anstieg der Schüler*innenkostenjahresbeiträge für das Jahr 2026 gemäß Anlage 1 könnte zwar nach aktuellen Prognosen ausreichen, um die voraussichtlichen Kostensteigerungen im kommenden Jahr zu decken, diese Anpassung gleicht jedoch nicht das bestehende strukturelle und über Jahre aufgelaufene Finanzierungsdefizit aus (Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst allein für das Jahr 2025 in Höhe von 5,5 Prozent). Damit bleibt die Erhöhung der Schüler*innenkostenjahresbeiträge für 2026 unzureichend, um den Bestand Freier Schulen sowie ihre gleichwertige Teilhabe am Bildungswesen nachhaltig zu sichern.

Ein Fehler der Finanzierungslogik bei Förderschulen führt zu Kostensätzen, die durch das Gutachten nicht nachvollzogen werden können und zudem für Förder- und Gemeinschaftsschulen nicht ausreichend sind.

Wichtige Klarstellung zum Gutachten

Das Gutachten evaluiert die staatlichen Kosten je Schüler*in und leitet daraus ab, inwieweit die Finanzhilfen für Freie Schulen – gemessen an den im Thüringer Gesetz über Schulen in Freier Trägerschaft festgelegten Deckungsgraden – ausreichen. Diese Deckungsgrade variieren nach Schulform: 80 Prozent für allgemeinbildende Schulen und Förderschulen, 65 Prozent für berufsbildende Schulen, 60 Prozent für höhere Berufsfachschulen etc. Für Förderschulen kommt das Gutachten in Teilen zur Feststellung, dass der vereinbarte Deckungsgrad von 80 Prozent überschritten wird.

Für die Bewertung der Kostensätze Freier Schulen, insbesondere der Förderschulen, ist deshalb entscheidend, dass in Thüringen an Förderschulen kein Schulgeld erhoben wird und diese Schulform aufgrund ihres besonderen Auftrags spezifische Bedarfe hat (Ausstattung, Therapien, Personalprofile, Erreichbarkeit). Hintergrund ist, dass das Wunsch- und Wahlrecht aufgrund der regionalen Bedingungen nicht gegeben ist. Eltern haben aufgrund der regionalen Gegebenheiten keine Auswahlmöglichkeit zwischen Schulen in öffentlicher und Freier Trägerschaft, sondern ihre Kinder werden in der für die Förderung der Kinder passenden Förderschule beschult. Die bestmögliche Förderung der Kinder und Eltern von Schüler*innen mit besonderem Förderbedarf ist das entscheidende Kriterium zur Auswahl der Schule. Die Freien Träger von Förderschulen übernehmen den öffentlichen Bildungsauftrag in bestimmten Regionen, insbesondere im ländlichen Raum.

Zudem wurden die SOLL-Kostensätze des Gutachtens für den Gesetzentwurf für alle Schularten um 5 Prozent gekürzt. Infolgedessen gelten Förderschulen, die nicht durch Schulgeld mitfinanziert werden, demnach als “überfinanziert” und erfahren eine Absenkung des Schüler*innenkostensatzes. Dies ist unangemessen.

Wesentliche Nachbesserungen am Gesetzentwurf

Heterogenität

Freier Schulen beachten Freie Schulen sind vielfältig – von allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen bis hin zu Förderschulen. Diese Vielfalt ist eine Stärke des Thüringer Bildungssystems und verlangt differenzierte Kostensätze und Regelungen, die den jeweiligen strukturellen Anforderungen gerecht werden. Für Förderschulen gilt besonders: Sie sind in Angebot, Ausstattung und Erreichbarkeit für Schüler*innen mit Behinderungen einzigartig und vielerorts ohne Alternative. Ihre besonderen Bedarfe müssen sich verlässlich in den Kostensätzen widerspiegeln.

Gemeinschaftsschulen

Im Gesetzentwurf werden Schüler*innen der Sekundarstufe I an Gemeinschaftsschulen weiterhin nach dem Regelschulkostensatz abgerechnet. Das Gutachten zeigt jedoch, dass in staatlichen Gemeinschaftsschulen höhere Kosten pro Schüler*in entstehen. Ohne eigenen Kostensatz bleiben Freie Gemeinschaftsschulen strukturell unterfinanziert. Erforderlich ist ein eigener, sachgerechter Kostensatz, der die Mehranforderungen dieser Schulform abbildet.

Overheadkosten und Abschreibungen

Wir begrüßen, dass der Entwurf die Overheadkosten ausdrücklich anerkennt. Nach dem aktuellen Wortlaut gelten Ausgaben für Geschäftsführung, Verwaltungsaufwendungen und Büromaterial bis zu einer Höhe von fünf Prozent der Finanzhilfe als Ausgaben für den Schulbetrieb.

Für Schulträger mit mehreren Standorten, umfangreichen IT-Sicherheits- und Datenschutzanforderungen (DSGVO) sowie Aufgaben in Personalmanagement, Controlling, Qualitätsmanagement und Compliance liegt der tatsächliche Verwaltungsaufwand jedoch regelmäßig bei bis zu zehn Prozent der Finanzhilfe.

Die vorgesehene pauschale Begrenzung auf fünf Prozent führt daher zu einer strukturellen Finanzierungslücke und wird den realen Anforderungen moderner Schulträger nicht gerecht. Deshalb sollte diese Quote auf maximal 10 Prozent angehoben werden. Darüber hinaus bedarf es einer Klarstellung, dass sich die abrechenbaren Overheadkosten auf die gesamte jährliche Finanzhilfe des Schulträgers beziehen.

In der geplanten Rechtsverordnung hierzu sollten die abrechenbaren Overheadkosten explizit benannt werden (u. A. Geschäftsführung, Finanzbuchhaltung / Controlling, Lohnbuchhaltung, Personalmanagement, IT-Grundbetrieb inkl. Informationssicherheit / DSGVO, Qualitätsmanagement / Compliance, Versicherungen, Öffentlichkeitsarbeit, zentrale Haustechnik).

Die Träger von Freien Schulen sind verpflichtet, Abschreibungen durchzuführen. Die Nichtanerkennung von Abschreibungen führt zu einer systematischen Unterdeckung. Abschreibungen bilden die Wertminderung von Gebäuden, Inventar und Ausstattung ab und sind betriebswirtschaftlich notwendiger Aufwand. Werden Investitionen weder als einmaliger Zuschuss noch über Abschreibungen refinanziert, verbleiben 100 Prozent der Investitionslast beim Träger – ein strukturelles Defizit der Schulfinanzierung. Zugleich liegt eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber staatlichen Schulträgern vor: Doppisch buchende Kommunen veranschlagen Abschreibungen zwingend; auch bei Kameralistik sind sie in weiten Teilen vorgesehen. Wie die CDU-Fraktion in Drs. 7/9081 vom 27.11.2023 festhält, ist ein Ausschluss für Ersatzschulen mit Blick auf Art. 7 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht sachlich zu rechtfertigen. Die Anerkennung von Abschreibungen ist daher verfassungsrechtlich geboten und finanzpraktisch zwingend.

Dynamisierung

Im vorliegenden Gesetzentwurf werden zur Dynamisierung keine Aussagen getroffen. Wir regen dringend an, die Dynamisierung im laufenden Gesetzgebungsverfahren verbindlich und transparent zu konkretisieren. Hintergrund ist, dass die nächste Evaluation erst zum 1. August 2028 stattfindet. Bis dahin braucht es eine verlässliche, nachvollziehbare Dynamisierung, die sich an den realen Tarif- und Sachkostenentwicklungen orientiert und Planbarkeit für die Träger sicherstellt. Angesichts der dynamischen Kostenentwicklung der vergangenen Jahre ist es dringend erforderlich, die Dynamisierung der Schüler*innenkostenjahresbeiträge jährlich zu überprüfen und anzupassen. Nur so kann eine bedarfsgerechte und zukunftsfähige Finanzierung Freier Schulen gewährleistet werden.

Berücksichtigung der Schulautonomie

Im vorliegenden Gesetzesentwurf sollen die Thüringer Schulordnungen zur Regelung des § 7 – Schulbesuch, Prüfungen und Zeugnisse – als verbindliche Bestimmungsgrundlage für Freie Schulen aufgenommen werden. Auch wenn die inhaltlichen Regelungen grundsätzlich nachvollziehbar und sinnvoll erscheinen, warnt die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege ausdrücklich vor einer Ausweitung der Verbindlichkeit der Thüringer Schulordnung auf Freie Schulen.

Eine solche Erweiterung würde die gewachsene pädagogische Autonomie Freier Schulen einschränken, unnötige Rechts- und Finanzrisiken schaffen und innovative Entwicklungen im Bildungswesen gefährden. Sie ist daher in dieser Form nicht erforderlich.

Zeitliche Umsetzung und Evaluation

Die Anpassung der Kostensätze wurde mehrfach verschoben – ursprünglich 1. Januar 2025, dann 1. August 2025, nun 1. Januar 2026. Diese Verzögerungen erzeugen erhebliche Planungsunsicherheit. Für die nächste Evaluation zum Stichtag 1. August 2028 braucht es einen verbindlichen Zeitplan mit klaren Zwischenschritten, damit die Ergebnisse rechtzeitig in die Haushaltsaufstellung einfließen.

Fazit und Ausblick

Der Gesetzentwurf markiert einen wichtigen Fortschritt. Damit Freie Schulen auch künftig Teilhabe sichern, Qualität vorantreiben und regionale Bildungsangebote stabilisieren können, bedarf aus Sicht der LIGA folgender Nachbesserungen:

  • klare Berücksichtigung der besonderen Bedarfe der Förderschulen und Klarstellung, dass dort in Thüringen kein Schulgeld erhoben wird
  • Rücknahme der Kürzungen der Schüler*innenkostensätze von Förderschulen
  • eigener Kostensatz für Gemeinschaftsschulen, um strukturelle Unterfinanzierung zu vermeiden
  • Anerkennung von Abschreibungen als betriebswirtschaftlich notwendigem Aufwand – auch im Lichte von Art. 7 Abs. 4 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG
  • verbindliche, transparente Konkretisierung der Dynamisierung im laufenden Verfahren, orientiert an realen Tarif- und Sachkosten
  • verbindlicher Zeitplan für Evaluation und Umsetzung, um erneute Verzögerungen zu vermeiden
  • Berücksichtigung der Schulautonomie.

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