LIGA der Freien Wohlfahrtspflege setzt Zeichen für Demokratie – Kranzniederlegung in Buchenwald
von Peter Kießling
Nie wieder ist jetzt.
Am 19. und 20. Februar fand die jährliche Klausur der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen statt. Neben einer intensiven inhaltlichen Auseinandersetzung zu Themen wie Lobbyarbeit und strategischer Ausrichtung der Zusammenarbeit stand auch ein besonderer Programmpunkt auf der Tagesordnung: der Besuch der Gedenkstätte Buchenwald.
Im Austausch mit dem Team der Gedenkstätte gab es Raum für offene Gespräche und Reflexionen über die Bedeutung historischer Verantwortung und demokratischer Werte in der heutigen Zeit. Ein herzlicher Dank gilt Stiftungsdirektor Prof. Dr. Jens-Christian Wagner für die Möglichkeit, einen Kranz niederzulegen, sowie Holger Obbarius, dem Leiter der Bildungsabteilung, für die wertvollen Einblicke in die Bildungsarbeit der Gedenkstätte.
LIGA-Vorsitzende Monika Funk und Prof. Dr. Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde, fanden eindringliche Worte für die Kranzniederlegung. Ihre Redebeiträge können Sie hier nachlesen.
Rassismus und Ausgrenzung bedrohen unsere Gesellschaft. Mit der Kranzniederlegung setzt die LIGA Thüringen ein klares Zeichen: Wir stehen für eine offene, solidarische und demokratische Gesellschaft – gestern, heute und in Zukunft.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Anwesende,
wir stehen hier an einem Ort, an dem unsagbares Leid geschehen ist. Ein Ort, an dem Menschen ihrer Würde beraubt, gequält und ermordet wurden, nur weil sie bestimmten Gruppen angehörten. Ein Ort, der uns mahnt, niemals zu vergessen.
Vor wenigen Tagen gab es das große Gedenken, denn 80 Jahre ist es her, dass die Befreiung von Auschwitz der Welt das unermessliche Grauen der Shoah offenbarte. 80 Jahre, die eine Verpflichtung sind. Nie wieder!
Doch die Worte „Nie wieder“ allein genügen nicht mehr. Nie wieder – ist jetzt!
Denn wir sehen: Der Hass lebt. Antisemitismus ist keine dunkle Erinnerung an eine ferne Vergangenheit, sondern eine reale Gefahr in unserer Gegenwart. Rassismus und Ausgrenzung sind nicht überwunden, sondern breiten sich erneut aus. Menschen werden stigmatisiert, weil sie eine andere Hautfarbe, eine andere Herkunft, eine andere Religion haben.
Drei Tage vor der Bundestagswahl stehen wir hier, um daran zu erinnern, worauf unsere Demokratie gebaut ist: auf Menschenwürde, auf Gleichberechtigung, auf Respekt und Mitmenschlichkeit.
Unser Grundgesetz beginnt mit den Worten: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das ist die größte Errungenschaft unseres Rechtsstaates. Und doch erleben wir, wie diese Würde immer wieder in Frage gestellt wird – von Ideologien des Hasses, von rechtsextremen Strömungen, von einer Politik, die Schwache ausgrenzt, anstatt ihnen Schutz zu bieten.
Eine Gesellschaft, die soziale Gerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion missachtet, zerfällt. Sozialer Friede ist ein hohes Gut – er ist keine Selbstverständlichkeit. Er muss immer wieder verteidigt, immer wieder neu errungen werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen aufgrund von Notlagen oder Herkunft an den Rand gedrängt werden. Eine Demokratie, die nicht für alle da ist, verliert ihren Kern.
Die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen tritt ein für Menschlichkeit, für die Unantastbarkeit der Menschenwürde, für Toleranz zwischen Religionen und Kulturen, für die Vielfalt von Lebensentwürfen und für die Inklusion aller Menschen – ob mit Behinderungen, mit Migrationshintergrund oder in sozialen Notlagen.
Wir wissen: Eine solidarische Gesellschaft ist die stärkste Antwort auf den Hass.
Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer hat uns einen einfachen, aber tiefen Satz hinterlassen: „Seid Menschen.“
Dies ist unser Auftrag – jeden Tag. Lassen Sie uns wachsam bleiben. Lassen Sie uns Zivilcourage zeigen. Lassen Sie uns einstehen für ein Deutschland, das nie wieder zulässt, was hier, in Buchenwald, geschehen ist.
Nie wieder – ist jetzt.

Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich verneige mich vor den ca. 56.000 Toten unterschiedlichster Herkunft aus ganz Europa, die im KZ Buchenwald Opfer des deutschen Nationalsozialismus wurden.
Als Mitglied der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen schließt sich meine Jüdische Landesgemeinde Thüringen den mahnenden Worten und dem Ruf nach Zivilcourage der LIGA-Vorsitzenden, Frau Monika Funk, an.
Juden kamen nach der Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 in großer Zahl in das KZ Buchenwald. Aber selbst diese Juden ahnten nicht, dass am Ende der Naziherrschaft ca. 6 Millionen unserer Schwestern und Brüder ermordet sein werden.
Ihre einzige Schuld war ihre Geburt als Juden. Welche Schuld hätten ca. 1,5 Millionen jüdischer Kinder und Jugendlichen sonst haben können?
Und diese gleiche Schuld ihrer jüdischen Geburt hatten am 7. Oktober 2023 die über 1000 in Israel durch die HAMAS-Terroristen ermordeten Juden. Es war das größte Pogrom nach der Shoah. Diesen Judenmord feierten am gleichen Tag auf Berlins Straßen unbehelligt und ungestraft muslimische Antisemiten. Der deutsche Staat versagte. Ich war froh, dass meine Mutter als einzige Überlebende unserer Familie dieses Berlin vom 7. Oktober 2023 nicht mehr erleben musste.
Nach dem 7. Oktober 2023 mangelte es an Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und in Israel.
Es kam mir vor, als hätte sich die Zahl unserer Freunde halbiert.
Der Antisemitismus explodierte. Die Mahnung von Buchenwald und Dutzender anderer ehemaliger deutscher Konzentrationslager erreichte die deutsche Bevölkerung nicht mehr.
Zum rechten und linken Antisemitismus war auch für die deutschen Juden der muslimische Antisemitismus hinzugekommen.
Wir wissen, dass unsere Familien in den deutschen Gaskammern nicht von Linken und Muslimen ermordet wurden.
Dazu brauchen wir Juden keinen Nachhilfeunterricht.
Inzwischen wissen wir: Auch muslimische Antisemiten gefährden jüdisches Leben.
Seit 2021 fordere ich öffentlich die Ausweisung antisemitischer Straftäter, die keinen deutschen Pass besitzen.
Diese Maßnahme unseres Staates würde auch der Mehrheit der muslimischen Bürger in Deutschland helfen. Dieser Mehrheit gehört unser Respekt, nicht ein Pauschalverdacht.
Und wir fordern auch die Verteidigung des Asylrechts, nicht seine Abschaffung.
Wir stehen heute auf der Erde des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald. Einst schworen die Überlebenden von Buchenwald: „Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ideal.“
Heute, 80 Jahre danach, müssen wir unser Land vor Neonazismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit schützen.
Mit der Wahl von demokratischen Parteien leisten wir in vier Tagen dazu einen Beitrag. Und allen müssen wir vor der Wahl sagen: Die AfD ist keine demokratische Partei.