Stellungnahme zum Antrag der Fraktion der CDU: Gelingende Pflegebedingungen sicherstellen – Absicherung der Pflege der Zukunft

 

In den nachfolgenden Ausführungen erlauben wir uns, auf die Drucksache der CDU mit grundsätzlichen Anmerkungen einzugehen, die mitunter auch auf die letzten Anhörungen im Thüringer Landtag rekurrieren.[1] Anschließend gehen wir auf die Fragestellungen der Anlage 3 der Fraktionen DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/Die Grünen ein.

 

[1] Vgl. Stellungnahmen der LIGA Thüringen zu den Anträgen „Garantiert gut versorgt – Medizinische Leistungen in ganz Thüringen sichern“ der CDU Fraktion (Drucksache 7/2041); „Sicherstellung und Weiterentwicklung regionaler Gesundheitsstrukturen – Initiierung eines Modellprojektes zur Versorgungsplanung“ der Fraktion FDP (Drucksache 7/2056); „Schutz des Lebens und seelischen Wohlbefindens von Senioren und anderen Risikogruppen während der Corona-Pandemie“ der CDU Fraktion (Drucksache 7/2168); „Lebensqualität von Seniorinnen und Senioren, pflegebedürftigen Menschen und Menschen mit Behinderungen auch in der Corona-Pandemie sichern“ der Fraktionen DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 7/3728)

Grundsätzliche Bewertung

Die in dem Antrag aufgeworfenen Fragestellungen zeigen die Komplexität der Maßnahmen, die es zu bearbeiten gilt, um dem steigenen Pflegebedarf zu begegnen.

In den voran gegangenen Anhörungen und Fachgesprächen wurden Lösungsvorschläge seitens der LIGA Thüringen vorgelegt. Weitere Anhörungsverfahren werden keine neuen Erkenntnisse dazu liefern. Vielmehr fragen wir an dieser Stelle, wann aus den Erkenntnissen in den Anhörungsverfahren Maßnahmen folgen werden? Die Maßnahmen müssen ineinander greifen und sowohl die formelle als auch informelle Pflege in den Blick nehmen. Es bedarf einer Priorisierung der Maßnahmen und den gemeinsamen politischen Willen, diese auch zeitnah umzusetzen.

Aus Sicht der LIGA Thüringen besteht sowohl an dem Wissen um einen drohenden Pflegenotstand, als auch an möglichen Maßnahmen, diesem entgegen zu treten, kein Erkenntnisdefizit mehr. Gerade durch die Entwicklungen in der Corona-Pandemie steigt der Handlungsdruck immens. Erst jüngst hat eine bundesweite Online-Studie der Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH) ermittelt, dass sich der Wunsch, den Beruf zu verlassen, bei Pflegenden in der Corona-Pandemie weiter verschärft. Rund 40 Prozent denken mindestens einmal monatlich über einen Berufsausstieg nach. Viele der Pflegenden haben laut dem Pflegewissenschaftler Herrn Prof. Hermann Brandenburg (Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar/Koblenz) derzeit nicht das Gefühl, sich in ihrem Beruf verwirklichen zu können. "Sie steigen nicht nur aus, weil sie zu wenig verdienen. Das ist nur ein Punkt. Sie steigen vor allem aus, weil sie nicht mitwirken können und fremdgesteuert arbeiten müssen".[2]

Die nachfolgend beschriebenen Handlungsempfehlungen sind also nicht neu, sondern müssen mit Leben gefüllt werden. Dafür müssen sowohl Haushaltsmittel als auch insbesondere personelle Kapazitäten an den entsprechenden Stellen bereit gestellt werden.

Aus unserer Sicht gilt es, gemeinsam miteinander an den Lösungen zu arbeiten und diese umzusetzen. Das meint konzertierte Aktionen aller an der Gesundheit und Pflege beteiligten Partnerinnen und Partnern. Ziel ist ein landesweites Bündnis für Gesundheit und Pflege, das als sachkompetentes Expertengremium (neben den bestehenden Landesgremien wie bspw. dem Landespflegeausschuss), gemeinsam an Empfehlungen zur Umsetzung der gesundheits- und pflegepolitischen Aufgaben arbeitet, diese verständlich kommuniziert und auch in die Fläche bringt.

Um die Situation der Gesundheit und Pflege im Freistaat Thüringen zu untersuchen und zu überprüfen, wie vorhandene Rahmenbedingungen verändert und welche Impulse gegeben werden müssen, um eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung und Pflege dauerhaft sicherzustellen, bedarf es zudem einer kontinuierlich jährlich fortzuschreibenden Erhebung und Auswertung valider Daten zur Versorgungssituation. Die LIGA Thüringen spricht sich vor diesem Hintergrund erneut für die Umsetzung eines dauerhaften regionalen Pflege-Monitorings aus, welches auch die sektorenübergreifende Versorgung in den Blick nimmt.

Viele Daten liegen bereits bspw. beim Thüringer Landesamt für Statistik vor, müssen aber regional aufbereitet werden. Ein regionales (sektorenübergreifendes) Monitoring ermöglicht politische Entscheidungen auf verlässlicher empirischer Grundlage (bspw. bezogen auf die Personal- und Ausbildungssituation, regionale Daten zur Pflegebedürftigkeit und Altersstruktur, Entwicklungsperspektiven der Versorgungsbereiche etc.). Nur mit einer sektorenübergreifenden Planung kann eine bedarfsgerechte Versorgung gelingen.

 

[2] Vgl.: Ergebnisse der Umfrage "Altenpflege im Fokus", ltzt. Zugriff am 21.01.2022.

Zu den vom Ausschuss beschlossenen Fragen der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN.

Zu 1. Relevante Gründe für die Pflege-Versorgungsengpässe in Thüringen.

Versorgungsengpässe entstehen, wenn Pflegekassen und Leistungserbringer die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung nicht mehr gewährleisten können und diese auch nicht anderweitig gesichert werden kann. Fakt ist, dass die Pflegeversorgung auf Grundlage ordnungs- und leistungsrechtlicher Standards sichergestellt werden muss. Können diese Kriterien seitens der Leistungserbringer nicht erfüllt werden, droht der Entzug des Versorgungsvertrages. So schlicht und doch so komplex.

Hauptgrund für die Versorgungsengpässe ist der steigende Personalbedarf, sowohl im Bereich der Fachkräfte als auch der Hilfskräfte. Und dies insbesondere im ländlichen Raum. Laut BARMER-Pflegereport 2021[3] wird die Zahl der Pflegebedürftigen in Zukunft stärker steigen als bisher angenommen; bis 2030 um 1,3 Millionen; bis 2050 um 2,9 Millionen. Obwohl insbesondere die Zahl der Pflegegeldempfänger steigt, steigen die Leistungsausgaben im Referenzszenario von 47 Mrd. Euro (2020) auf 80 Mrd. Euro (2055). Das zentrale Zukunftsproblem bleibt dabei die Sicherstellung der Versorgung. Allein von 2020 bis 2030 steigt der Pflegekräftebedarf um 125.000 ausgebildete Fach- und Hilfskräfte. Besonderes Augenmerk ist dabei auf Hilfskräfte mit 1- bis 2-jähriger Ausbildung zu richten, die bislang häufig nicht im Mittelpunkt des Interesses standen.

Zentral ist dabei die Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs, um Pflegekräfte im Beruf zu halten und Neue zu gewinnen. Es braucht einen Mix an adäquaten Lösungsansätzen, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Höhere Löhne sind wichtig, aber nicht die alleinige Lösung. Gerade der betriebliche Arbeitsschutz, die Gesundheitsförderung und das Betriebliche Eingliederungsmanagement für beruflich Pflegende in ihren Einrichtungen und Diensten muss gefördert werden. Neben der Gewährleistung innerbetrieblicher Karriere- und Aufstiegschancen sind dabei auch bessere Strukturen und erleichternde gesetzliche Rahmenbedingungen erforderlich, um den Pflegefachkräften mehr Verantwortung und Kompetenz zu übertragen.

Diese Umsetzung verursacht Kosten, die dauerhaft nur über die Pflegeentgelte refinanziert werden können. Um die Heimbewohner*innen nicht zu überlasten, ist eine Deckelung der Eigenanteile – wie im Koalitionsvertrag des Bundes angesprochen – deshalb zwingend erforderlich.

 

[3] Vgl. BARMER Pflegereport 2021, ltzt. Zugriff am 21.01.2022

Zu 2. Möglichkeiten, um Pflegebedürftige und pflegende Angehörige zu unterstützen.

Die Entwicklung des Pflegebedarfs ist abhängig von einer Vielzahl von Faktoren und kaum monokausal herleitbar. Neben der demografischen Entwicklung spielen u.a. die medizinische Versorgung, die Lebensgestaltung des Einzelnen sowie die Versorgungslandschaft (familiäre Unterstützung/Nachbarschaftshilfe, ambulante/teilstationäre und vollstationäre Hilfen), die technische Entwicklung im Kontext von Pflege, medizinischer Versorgung und Kommunikation eine immanente Rolle.

Entscheidend ist bei der Betrachtung die Pflegeprävalenz (Anzahl Pflegebedürftiger an der Gesamtzahl der Bürger*innen). Eine durch geeignete Maßnahmen Abmilderung der Pflegeprävalenz hat große Auswirkungen auf den hohen Bedarf an Pflegeplätzen. Zudem würde eine Abmilderung der Pflegeprävalenz durchaus zu weniger gravierenden Pflegepersonalbedarfen führen.

Den dafür notwendigen Maßnahmen kommt deshalb schon heute eine erhebliche Bedeutung bei der Lösung der Pflegeaufgaben von morgen zu.

Die notwendigen Instrumente heißen:

  • Prävention/geriatrische Rehabilitation
  • Kommunikation und
  • Unterstützung bei der Haushaltsführung

Prävention beginnt früh mit dem Angebot gesundheitsfördernder und/oder rehabilitativer Kurse (bspw. Ernährung, Rückenschule), geht weiter bei der altengerechten Ausgestaltung von Wohnraum (schwellenlos) und Wohnumfeld (Stadtmöblierung) und endet noch nicht bei der „sozialen Einbindung“ älterer Menschen durch seniorengerechte Freizeitangebote oder passgenaue Nachbarschaftshilfen. Kommunikationsangebote und -hilfen (auch technikgestützt) steigern erheblich das Sicherheitsgefühl und wirken drohender Vereinsamung entgegen. Ähnliches bewirken auch nachbarschaftliche Arrangements zur Unterstützung bei hauswirtschaftlichen oder handwerklichen Problemen.

Beispielhaft ist hier ein Modellprojekt zur Senkung der Pflege-Prävalenz im Land Brandenburg zu benennen, welches in zwei Regionen im Landkreis Havelland durchgeführt wurde.[4]

Aus Untersuchungen ist bekannt, dass Menschen, die sich in ihrem angestammten Umfeld sicher und geborgen fühlen, später als andere pflegebedürftig werden. So hat das Pflegenetzwerk „SONG“ durch ein gezieltes Quartiersmanagement die Pflegebedürftigkeit der Bewohnerinnen und Bewohner um mehrere Monate verzögern können. Monate, die Personal und Kosten sparen helfen. Geld allerdings, das im Vorfeld investiert werden muss, denn all die oben beschriebenen Maßnahmen bedürfen intensiver Planung, Steuerung und Moderation!

Der größte Pflegedienst in Thüringen sind die pflegenden Angehörigen. Die Pflege in der Familie entspricht dem Wunsch vieler Menschen, im bekannten Umfeld bleiben zu können, und entlastet die stationäre Pflege. Analog zu Bundesländern wie Bayern braucht auch Thüringen ein Landesförderprogramm, um pflegende Angehörige zu unterstützen, beispielsweise finanziell (Landespflegegeld) und durch die stärkere Förderung entlastender Maßnahmen.

Eine weitere Sorge vieler Pflegebedürftiger sind die steigenden Eigenanteile in der stationären Pflege. Bislang kommen sie über den Eigenanteil auch für Investitionskosten der Pflegeanbieter auf, beispielsweise für bauliche Modernisierungen. Gemäß § 9 SGB XI ist bereits heute eine Übernahme dieser Kosten durch das Land oder die Landkreise möglich. Nur in wenigen Fällen werden die Kosten übernommen. Hier sollte das Land Pflegebedürftige unterstützen, um dem Abrutschen in die Sozialhilfe entgegenzuwirken.

 

[4] Vgl. QgP-Modellprojekt zur Senkung der Pflege-Prävalenz

Zu 3. Möglichkeiten der Thüringer Landesregierung für eine gezielte Fachkräftegewinnung im In- und Ausland.

Die Fördermaßnahmen des Landes müssen schon bei der Ausbildung beginnen. Mit den durch das Pflegeberufegesetz erhöhten Anforderungen braucht es eine bessere bzw. zentrale Koordinierung der praktischen und theoretischen Ausbildung auf Landesebene (Forderung: Einrichtung eines dauerhaften Fachbeirates aus Expert*innen und Praktiker*innen zur Umsetzung der generalistischen Ausbildung). Insbesondere müssen thüringenspezifische Informationsplattformen für Auszubildende aber auch Ausbildungsträger und Pflegeschulen geschaffen werden. Die Ausbildungsträger und Pflegeschulen selbst könnten beispielsweise adäquat durch vier regionale Geschäftsstellen zur Gründung und Begleitung von Ausbildungsverbünden unterstützt werden (Forderung: Aufbau „Thüringer Pflegecampus“).

Im Sinne der Durchlässigkeit und attraktiver beruflicher Perspektiven bedarf es der Reformierung der einjährigen Pflegehelferausbildung über das Thüringer Pflegehelfergesetz. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, welche Aufgaben und Verantwortung man ausgebildeten Pflegehelfer*innen innerhalb der Ablauforganisation einer Pflegeeinrichtung übertragen und dies ggf. im Fachkraftschlüssel berücksichtigen kann. Nur wenn genügend Pflegehelfer*innen in Thüringen vorhanden sind und eine Personal- und Organisationsentwicklung in den Pflegeeinrichtungen erfolgt, kann eine leistungsgerechte und sachgerechte Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens gelingen. Im Freistaat Thüringen müssen hierfür die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit neben den Pflegefachkraftausbildungen auch die qualifizierten Pflegehelfer*innenausbildungen am Ausbildungsmarkt angeboten und refinanziert werden können. In vielen Bundesländern sind bereits neue Regelungen verabschiedet. Die von BMFSFJ und BMG an die Länder übermittelten Grundlagen gehen vom Modell einer einjährigen Pflegehilfe- bzw. -assistenz-ausbildung aus. Die einjährige Hilfskraftausbildung hat eine niedrige Eintrittsschwelle, eröffnet mit Hauptschulabschluss den Zugang zur Fachkraftausbildung und sei auf diese vollständig anrechenbar, was der Durchlässigkeit diene. Das Land Thüringen ist dringend gefordert, sich im Interesse der Langzeitpflege und zur Stärkung der Ausbildung dieser Herausforderung zu stellen und auf Landesebene die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Legitimation der Ausbildung von „generalistischen“ Pflegehelfer*innen zu schaffen. Zudem ergibt sich aus dem Status Quo eine ordnungsrechtliche Hürde: Weder das Thüringer Gesetz über betreute Wohnformen und Teilhabe (ThürWTG), noch die Heimpersonalverordnung enthalten Berufsabschlüsse für staatlich anerkannte einjährig „generalistisch“ ausgebildete Pflegehelfer*innen. Folglich können diese Ausbildungsabschlüsse auch nicht zur Anerkennung als qualifizierte Pflegekräfte führen.

Zweifellos kann die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland die Chance bieten, den aktuellen und künftigen Fachkräftebedarf in der Pflege zu decken. Dazu müssen im Land Thüringen auf mehreren Ebenen Rahmenbedingungen verändert und Anreize geschaffen werden. Dafür braucht es jedoch weniger Fixierung auf formale Ausbildungsabschlüsse zu Gunsten von fachlichen und menschlichen Kompetenzen, um ausländische Fachkräfte besser zu integrieren. Dies kann nur unter den Kriterien der fairen Mobilität gelingen. Zudem bedarf der Thüringer Arbeitsmarkt der interkulturellen Öffnung und geplanter Schritte zur Steigerung der Attraktivität des Landes für Einwanderer. Im Fokus stehen hier insbesondere die Sprach- und Familienförderung sowie Möglichkeiten zur Förderung interkultureller Öffnungsprozesse in den Einrichtungen. Im Zuge der Umsetzung des Pflegeberufegesetzes muss zeitnah die Chance genutzt werden, die Anerkennungs- und Begleitverfahren für Arbeitskräfte und Auszubildende aus dem Ausland auf den Prüfstand zu stellen und notwendige Anpassungen vorzunehmen.

In der Thüringer Sozialwirtschaft existieren schon gelingende Netzwerke, die sich auf die Fragestellungen zur Gewinnung und Integration von Auszubildenden und Fachkräften aus dem Ausland spezialisiert haben und interessierte Einrichtungen dabei unterstützen. Die Erkenntnisse dieser Arbeit sind in den Blick zu nehmen und flächendeckend zu adaptieren.

Zu 4. Möglichkeiten für den Ausbau der Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie zum Aufbau von familienunterstützenden Diensten in der Häuslichen Pflege vor allem im ländlichen Raum.

Im Versorgungssetting der Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI ist derzeit nur eine unzureichende Versorgungssituation zu konstatieren. Grund für diesen Mangel ist vorrangig die Schwierigkeit, solitäre Kurzzeitpflegeeinrichtungen wirtschaftlich zu betreiben. Dazu trägt bei, dass die Kurzzeitpflegegäste häufig wechseln, meist einen höheren Pflegebedarf aufweisen, die Auslastung schwankt und dass die Leistungen (insbesondere der erhöhte Verwaltungsaufwand) unzureichend vergütet werden. Leistungen der Kurzzeitpflege werden derzeit vorrangig durch sogenannte „eingestreute Kurzzeitpflegeplätze“ in vollstationären Einrichtungen und nur zu einem sehr geringeren Teil durch solitäre Kurzzeitpflegeeinrichtungen erbracht. Zudem werden diese eingestreuten Kurzzeitpflegeplätze zum Teil auch für die Langzeitpflege vergeben, da viele stationäre Pflegeeinrichtungen aufgrund der hohen Nachfrage nach Pflegeplätzen bereits Wartelisten führen müssen.

Im Sinne der Pflegebedürftigen und für deren Angehörige braucht es jetzt Lösungen, die es ermöglichen, ausreichend, wohnortnah, planbar und finanzierbar Angebote – dem Wunsch- und Wahlrecht entsprechend – einzurichten. Ziel sollte es sein, den Mehraufwand, der durch den erhöhten Aufwand an medizinischer Behandlungspflege, die therapeutischen Leistungen und die Vernetzung mit den anderen Leistungserbringern im therapeutischen Team (Arzt, Heilmittelerbringer, ggf. andere wie Sanitätshäuser) entsteht, durch einen Vergütungszuschlag zu refinanzieren. Kurzzeitpflegeeinrichtungen, die die Anforderungen erfüllen, vereinbaren dabei pflegegradunabhängige Vergütungssätze. Die Vergütung in der Kurzzeitpflege richtet sich nach dem individuellen Versorgungsbedarf und wird differenziert a) in eine Vergütung für Kurzzeitpflege als Verhinderungspflege und b) in eine Vergütung für Krankenhausnachsorge.

An dieser Stelle verweisen wir auf die „Pflegezukunftsinvestitions-Richtlinie 2021-2024“ im Land Brandenburg. Hier fördert das Sozialministerium den Ausbau von Angeboten der Kurzzeit- und Tagespflege. Dafür stehen pro Jahr fünf Millionen Euro, bis 2024 insgesamt 20 Millionen Euro, aus dem Landeshaushalt zur Verfügung. Es ist die dritte Förderrichtlinie im Rahmen des Brandenburger Pakts für Pflege.

Um dem Gedanken „ambulant vor stationär“ gerade im ländlichen Raum Rechnung zu tragen, braucht es wohnortnahe Angebote. Das finanziell ausgestattete Landesprogramm Solidarisches Zusammenleben der Generationen sollte um kommunal verantwortete, familienentlastende Maßnahmen erweitert werden, etwa durch Konzepte wie „Dorfkümmerer“ im Unstrut-Hainich-Kreis, die vor Ort als niedrigschwellige Ansprechpersonen zur Verfügung stehen, Netzwerke schaffen sowie beratend und präventiv Hilfestellung leisten können. Entscheidend ist aus unserer Sicht auch, dass die Konzepte vor Ort auf Nachhaltigkeit und mit einer Langfristperspektive ausgelegt sind und nicht um jede neue Jahresscheibe um ihre Finanzierung und Berücksichtigung in der Mittelvergabe bangen müssen. Verlässlichkeit sehen wir als einen großen Erfolgsfaktor vor Ort.

Mehrere Bundesländer unterstützen die Kommunen bei der pflegerischen Versorgung. Analog dazu sollte das Land ein kommunales Pflegeförderprogramm auflegen, das insbesondere den Aufbau kommunaler Planungszentren und –kompetenzen, übergemeindliche Pflegesteuerung ermöglicht. Wichtig ist dabei, dass neue Pflegeangebote regional eingebettet und an Arztpraxen, Krankenhäuser, Apotheken etc. angebunden werden.

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