PM: Die Lockerungen werden auf dem Rücken der Sozialdienstleister ausgetragen
von Peter Kießling
Erfurt,17.03.2022 | Am 20. März tritt das neue Infektionsschutzgesetz in Kraft, welches weitreichende Lockerungen beinhaltet. Das ist angesichts der Infektionslage in Rekordhöhe in Thüringen nur schwer nachvollziehbar.
Aus Sicht der LIGA Thüringen wird dies zu einer weiteren Entsolidarisierung der Gesellschaft führen. Dem weiterhin gebotenen Schutz vulnerabler Personen und ihrer Familien sowie dem Schutz der Beschäftigten im Gesundheits-, Rehabilitations-, Pflege- und Bildungssystem wird nicht Rechnung getragen. Das ist weder hinnehmbar noch vermittelbar. Das Gesetz verlagert die politische Verantwortung für den Schutz Aller auf den Einzelnen und führt letztlich zur Ausgrenzung all derjenigen, die besonders durch Covid-19 bedroht sind. Die steigenden Infektionszahlen lassen für die vulnerablen Menschen jeden Schritt im öffentlichen Leben zu einem nicht kalkulierbaren Risiko werden.
Den Schutz vulnerabler Gruppen auf die Einrichtungsebene zu beschränken, ist weder epidemiologisch zielführend noch entspricht es dem Verständnis von gesellschaftlicher Teilhabe.
Wichtig ist aus Sicht der LIGA Thüringen außerdem, bundesweit einheitliche Regeln zu haben. Flickenteppiche haben in den letzten zwei Jahren gezeigt, dass sie zur Eindämmung der Pandemie nicht taugen. Für Sozialdienstleister bedeutet insbesondere das Herunterbrechen auf Hotspots ein Ding der Unmöglichkeit, da sie dann in Ihrem Wirkungskreis unterschiedliche Regelungen befolgen müssen und beispielsweise Personal nicht da einsetzen können, wo es am dringendsten gebraucht wird.
Eine Steigerung dessen stellt die neue Arbeitsschutzverordnung dar, die im sozialen Bereich nochmal eine besondere Brisanz hat. Auch hier wird die Verantwortung nach unten durchgereicht. Die Dienste und Einrichtungen sollen neben den ganzen bürokratischen Zusatzaufgaben auch noch selbst die epidemische Lage einschätzen, bewerten und entsprechende Maßnahmen erlassen. Dies läuft letztlich darauf hinaus, dass die Einrichtungsleitungen in einem ständigen Rechtfertigungsdilemma gegenüber Mitarbeitenden, Patient*innen und Klient*innen stehen werden. Das kostet Zeit und Geld und geht zu Lasten der zu betreuenden Menschen.
Der Staat darf sich nicht aus seiner Verantwortung für den Schutz aller vor einer hochansteckenden potentiell tödlichen Krankheit stehlen.