„Thüringer Appell“ demonstriert vor dem Landtag: Haushalt beschließen, soziale Sicherheit und Demokratie schützen!

Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern deutliche Nachbesserungen der vorgelegten Kompromissregelung

Die mehr als 30 Organisationen des Thüringer Appells haben für Mittwoch vor den Landtag aufgerufen. Die Sicherung der sozialen Netze muss jetzt nach ganz oben auf die Tagesordnung der Haushaltspolitik.

 

Der Vorsitzende des DGB Hessen-Thüringen, Michael Rudolph, betonte:

„Nur weil das Allerschlimmste nicht eintritt, ist die Alternative nicht gut. Thüringen muss handlungsfähig bleiben, dazu gehört ein beschlossener Landeshaushalt. Dabei geht es uns auch darum, einen Haushalt zu haben, mit dem die sozialen, wirtschaftlichen und demokratischen Probleme gelöst werden können. Wenn die verbliebenen Kürzungsvorschläge umgesetzt würden, bedeutet dies immer noch eine akute Gefährdung vielfältiger Leistungen und Angebote gerade für einkommensarme Menschen, Familien mit Kindern, für Jugendliche und Rentner*innen. Viele hundert Arbeitsplätze sowie Mittel für die notwendige sozial-ökologische Transformation bleiben gefährdet. Sozialverbände, Sportvereine, Demokratieprojekte und vieles mehr sind der Kitt, der die Gesellschaft in schwierigen Zeiten zusammenhält. Deshalb ist eine Kürzungspolitik der falsche Weg.“

Die Bündnispartner*innen illustrierten, welche Projekte ohne bzw. mit einem gekürzten Landeshaushalt nicht stattfinden könnten und was Thüringen verlieren würde.

 

Katja Glybowskaja, die Vorsitzende der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen e. V. betont:

Foto von LIGA Vorsitzenden Katja Glybowskaja bei Kundgebung
Katja Glybowskaja, die Vorsitzende der LIGA Thüringen appelliert an den Haushalts- und Finanzausschuss

„Der gestern getroffene Kompromiss zum Landeshaushalt hat viele Menschen in Thüringen leider nicht im Blick: Die geplante Entlastung der Pflegebedürftigen, die Aufstockung für die Frauenhäuser und die Verbesserung der Personalschlüssel in den Kindergärten wurden zurückgenommen. Massive Streichungen im Vergleich zum Haushaltsentwurf stehen auch für die Schulsozialarbeit und für Demokratieprojekte im Plan. Diese Beispiele allein bedeuten über 80 Mio. Euro, die der Thüringer Soziallandschaft im kommenden Jahr schmerzlich fehlen werden. In der Konsequenz werden Träger von landesfinanzierten Demokratieprojekte zum Aussteigen gezwungen sein. Zahlreiche Frauenhäuser stehen schon jetzt kurz vorm Aufgeben. An diesen über 80 Mio. Euro hängen Jobs und hängen Schicksale von hilfesuchenden Menschen. Daran hängt auch die individuellere Betreuungsqualität für Kindergartenkinder, für die wir schon so lange kämpfen. Ich appelliere an den Haushalts- und Finanzausschuss, der morgen hier tagt und über den Haushalt abschließend berät: Haben Sie diese Menschen im Blick und sorgen Sie gemeinsam dafür, dass Thüringen sozial bleibt!“

 

Nadin Czogalla, Geschäftsbereichsleiterin Vereinsentwicklung und Ehrenamt des Landessportbundes Thüringen:

„Die angedachten Kürzungen im Bereich der Integrations- und Demokratieförderung erschüttern uns. In der gegenwärtigen gesellschaftlichen Lage brauchen wir mehr denn je all die Fachkräfte in den Projekten, die auch die Sportvereine unterstützen, Orte der Vielfalt, der Teilhabe und der friedlichen Begegnung zu bleiben. Sollten die Kürzungen auch bei den Projekten im organisierten Sport ankommen, gäbe es keine Sportangebote in den Erstaufnahmeeinrichtungen mehr, integrationsfördernde Sportangebote für Schutzsuchende würden deutlich dezimiert und Sportvereine würden keine hinreichende Unterstützung beim rechtssicheren Umgang mit menschenfeindlichen und antidemokratischen Angriffen erfahren. Erneut ist die Landespolitik mit der Verabschiedung eines Haushalts viel zu spät dran und auch die Bewegungscoaches und die regionalen Fachkräfte „Integration durch Sport“ schauen sich notgedrungen schon nach anderen Arbeitsstellen um. Wenn jetzt tatsächlich der Rotstift angesetzt wird, können notwendige Unterstützungsleistungen, die für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft sorgen, nicht mehr umgesetzt werden. Insbesondere für die drängenden Investitionen im Bereich der Sportstättenbauförderung benötigen wir für 2024 endlich Planungssicherheit.“

 

Jörg Kubitzki, stellv. Landesvorsitzender Sozialverband VdK Hessen-Thüringen:  

„Wenn der Landeshaushalt für 2024 nicht verabschiedet wird, dann werden viele Betreuungsangebote für ältere Menschen aber auch für Kinder und Jugendliche Besonders im ländlichen Raum zum Sterben verurteilt sein. Das trifft aber auch zu, wenn ein Haushalt mit schmerzhaften sozialen Sparmaßnahmen beschlossen werden sollte.“

Sebastian König, Landesgeschäftsführer BUND Thüringen:

„Keine neuen LEADER-Projekte, keine neuen ELER-Projekte, keine neuen Investitionen in tierwohlgerechte Stallumbauten, wenig Geld für die Entwicklung unserer ländlichen Regionen. All das passiert, wenn der Haushalt nicht verabschiedet wird. Man erweist damit nicht nur unseren gefährdeten Arten und Lebensräumen einen Bärendienst, sondern auch den Menschen, die in Thüringen mit unserer Umwelt und Natur arbeiten. Viele Vereine und Verbände sind auf Fördermittel angewiesen. Nicht weil sie es wollen, sondern weil die Strukturen so sind, wie sie sind. Auch diese kommen in Schwierigkeiten.“

 

Juliane Kemnitz, Flüchtlingsrat Thüringen e.V.:

„Schön, dass es eine Einigung gibt, erschreckend, mit welchen Kompromissen diese erzielt wurde. Die Landesaufnahmeprogramm für Familienangehörige aus Syrien und Afghanistan sind einer der wenigen sicheren Wege für Menschen zu fliehen, die finanzielle Verantwortung liegt bei den Angehörigen in Thüringen. Diese zu beenden in 2024, bedeutet für Schutzsuchende gezwungen zu sein, sich auf gefährliche Fluchtrouten begeben zu müssen. Seit Jahren fordern Menschenrechtsorganisationen den Zugang zum Arbeitsmarkt für Geflüchtete zu entbürokratisieren und die Aufnahme von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen zu ermöglichen. Ausgrenzung und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt beenden, statt steuerfinanzierter Pseudoarbeitsverhältnisse sollte die Devise sein."  


Die stellvertretende Vorsitzende des DGB-Hessen-Thüringen, Renate Sternatz betont abschließend:  

„Auffällig ist, dass die Streichposten vor allem die Bereiche Soziales, Antifaschismus und Migration betreffen. Diese Streichungen im Bereich Demokratie und Vielfalt sind verheerend. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese so wichtigen Bereiche für Kulturkampfzwecke missbraucht werden. Hier beziehen wir klar Stellung.“

Die Organisationen des Thüringer Appells fordern die demokratischen Partien auf zu zeigen, dass sie zu ihrer Verantwortung für Thüringen und für verlässliche Daseinsvorsorge stehen. Es gelte, die Handlungsfähigkeit der Kommunen, von Vereinen und Initiativen sowie die soziale Infrastruktur zu sichern.  

Hintergrund:

Am Thüringer Appell beteiligt sind mehr als 30 zivilgesellschaftliche Organisationen, Vereine sowie Träger der sozialen Daseinsvorsorge von der Jugendarbeit bis hin zur Familienförderung, Demokratieförderung, Kultur, Gleichberechtigung, außerschulischer Bildung und Sport. Sie erbringen täglich wichtige Leistungen für die Menschen in Thüringen. Ohne sie fehlt es an Lebensqualität und an lebenswichtigen Angeboten in unserem Land.

 

Der Thüringer Appell ist unter www.thueringerappell.de einsehbar.

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