Personenzentrierung – na logisch! Aber wie? Fachtag der LIGA Thüringen und der Landesstelle für Suchtfragen vom 30. September 2021
von Peter Kießling
„Konsequent von der Person her denken“ – das war der Titel eines Fachtages für Akteure der Suchthilfe und Suchtselbsthilfe in der Fachhochschule Erfurt am 30. September 2021. Organisiert wurde der Tag durch den LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen e. V. und den Thüringer Landesstelle für Suchtfragen e. V..
Ziel der Tagung war es, die Personenzentrierung in den Mittelpunkt der Diskussion zu stellen. Was bedeutet Personenzentrierung in der Suchthilfe bzw. anders formuliert: Was bedeutet es, konsequent von der Person her zu denken?
Personenzentrierung orientiert sich an den Wünschen und Zielen einer hilfesuchenden Person, das bedeutet, dass das Denken und Handeln im Hilfesystem sich am individuellen Bedarf ausrichtet. Dafür ist eine Verzahnung und Vernetzung der unterschiedlichen Hilfen zu gewährleisten.
Wie kann dies nun in der Suchthilfe gelingen? Welche Chancen aber auch Herausforderungen ergeben sich und wo stehen wir eigentlich in Thüringen?
Erster Programmpunkt an diesem Tag war eine Podiumsdiskussion mit von Sucht betroffenen Menschen und dem Vorsitzenden der LIGA Thüringen, Stefan Werner.
Die Betroffenen schilderten ihren Weg in die Sucht und ihren Weg in die Suchthilfe. Spannend für das Fachpublikum, zu erfahren, wo Anknüpfungspunkte sind und welches Ereignis dazu führte, sich in die Hilfe zu begeben. Deutlich wurde auch, wie wichtig es ist, die von Sucht betroffenen Menschen als Person mit eigenen Bedürfnissen und Vorstellungen ernst zu nehmen, eben konsequent von der Person her zu denken.
Im anschließenden Impulsvortrag skizzierte Dr. Martin Reker von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Behtel in Bielefeld, die Chancen, aber eben auch die Risiken einer personenzentrierten Herangehensweise. So schließt z.B. das konsequente Umsetzen dieser Maxime auch ein, zu akzeptieren, wenn von Sucht betroffene Menschen mit ihrer Sucht leben wollen. Weitere wichtige Aspekts, so Dr. Reker, sind, das Umfeld dieser Menschen mit einzubeziehen und sicherzustellen, dass der Sozialraum mitgenommen wird und kein Abbruch nach einem Entzug stattfindet.
Frau Prof. Dr. Hansjürgens von der Alice Salomon Hochschule Berlin zeigte die Struktur auf, die hinter dem „Suchthilfesystem“ steht, wie dies aktuell ist und wie eine zukünftige Suchthilfe aufgestellt sein kann. Wichtig war ihr hierbei, dass die Akteure der Suchthilfe eine moderierende und den Prozess leitende Rolle einnehmen. Hinzu kommt, dass dringend die Finanzierung, bzw. die Einordnung der Suchthilfe in den SGB-Rahmen geklärt werden muss, damit eine personenzentrierte Suchthilfe gelingen kann.
Im Anschluss trafen sich die Tagungsteilnehmer*innen in vier Workshops.
Workshop 1 Suchtbehandlung - aus der Sicht des Klienten konzipiert: Chancen und Risiken
Im Workshop wurde darüber diskutiert, wieviel Freiheit Suchtkranke vertragen, wieviel Kontrolle und Orientierung sie brauchen und ob Suchtkranke tatsächlich geeignet sind, sich ihren Wünschen und Zielen anzuvertrauen – oder ob das alles in Rausch und Desaster endet.
Input: Dr. Martin Reker, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel, Bielefeld
Workshop 2 Von der Person ausgehen auch im System?! Handlungslogiken und Entwicklungspotentiale von Akteuren im regionalen Suchthilfesystem
Im Workshop gab es Gelegenheit, Fragen, die sich aus dem Vortrag vom Vormittag ergeben haben vertiefend zu besprechen und zu diskutieren. Es bestand die Möglichkeit, konkrete Herausforderungen für die Gestaltung der Schnittstellen-Arbeit an Beispielen aus dem Teilnehmendenkreis genauer zu analysieren.
Input: Prof. Dr. Rita Hansjürgens, Alice Salomon Hochschule Berlin
Workshop 3 Von der Person ausgehen am Beispiel einer Suchtberatungsstelle
Im Workshop wurde diskturiert, wie Strukturen und Rahmenbedingungen eine personenzentrierte Leistungserbringung und Kooperation mit anderen Hilfesystem befördern. Darüber hinaus gab es die Gelegenheit, über Handlungsspielräume und Weiterentwicklungen der personenzentrierten Arbeit im System der kommunalen Daseinsvorsorge ins Gespräch zu kommen.
Workshop 4 Zugangsbarrieren senken, Versorgungslücken verringern
Im vierten Workshop wurden die Bedarfe in der Suchthilfe am Beispiel einer Weiterentwicklung der Suchtberatungsangebote in Jena vorgestellt und diskutiert. Die Koordination der Angebote – von der ambulanten Rehabilitation bis zur Schadensminimierung – sind in Verantwortung der kommunalen Steuerung. Diskutiert wurden die Bedeutung von Kooperationen und lokaler Netzwerkarbeit zur Sicherung bedarfsgerechter Angebote.
Input: Christiane Hofmann, Psychiatrie- und Suchthilfekoordinatorin Stadt Jena