Stellungnahme zu Änderungen des Thüringer Schulgesetztes

Stellungnahme der LIGA Thüringen zu den Beratungsgegenständen:

  • Thüringer Gesetz zur Modernisierung des Schulwesens - Drs. 7/6573,
  • Drittes Gesetz zur Änderung des Thüringer Schulgesetzes – gute Bildung und Stärkung der Elternrechte - Drs. 7/5371,
  • Inklusive Schulentwicklung in Thüringen weiter unterstützen - Drs. 7/4760 und
  • Kinder in den Mittelpunkt stellen – für starke Förderschulen und hochwertigen gemeinsamen Unterricht - Drs. 7/4674

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen Die LINKE., der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion der CDU und der Parlamentarischen Gruppe der FDP nimmt die LIGA Thüringen wie folgt Stellung:

1. Stellungnahme zum „Thüringer Gesetz zur Modernisierung des Schulwesens“ (Drucksache 7/6573)

Artikel 1 - Änderung des Thüringer Schulgesetzes

Praxisorientierung/berufliche Orientierung (Artikel 1, Nr. 2)

§ 47 a des ThürSchG spricht von praxisorientierter, individueller beruflicher und arbeitsweltlicher Orientierung mit dem Ziel, die Fähigkeit einer begründeten Berufsentscheidung mit Schulabschluss und Übertritt in Ausbildung oder Studium für sich selbst begründet treffen zu können, die sogenannte Berufswahlkompetenz.

Praxisorientiert und individuell sind demnach wichtige Attribute und Qualitätsmerkmale der Beruflichen Orientierung an den Schulen. Die Schüler*innen sollen zudem nicht nur Berufsbilder als solche, sondern die Arbeitswelt insgesamt erfahren.

Jeder Unterrichtsgegenstand sollte dahingehend geprüft und methodenvielfältig unterrichtet werden, welche Bezüge damit zur individuellen Lebens- und Arbeitswelt als erwachsene Persönlichkeit herzustellen sind. Wissensvermittlung sollte nach qualitativen Gesichtspunkten erfolgen, Transfers ermöglichen und verstehbare motivierende Sinnbezüge für Schüler*innen schaffen. Modelle wie Lernen am anderen Ort, Exkursionen und Teamteaching mit externen Partnern sollten in diesem Zusammenhang ausgebaut werden. Die thüringenweite Implementierung eines Freiwilligen Sozialen Schülerjahres (FSSJ) sollte erfolgen und finanziell unterstützt werden (Bsp. Hessen „Freiwilliges Soziales Schuljahr Hessen“ – Bewerbungen für 2. Staffel ab sofort möglich | hessen.de).

Berufliche Orientierung sollte kein Randthema der Sek. II sein und Praxistage in der Arbeitswelt zum wöchentlichen Programm ab Klasse 7/8 gehören. Zudem muss die Lehrerbildung dieses Thema verpflichtend für alle Lehrkräfte in die Aus-, Fort- und Weiterbildung aufnehmen.

Dabei sollten Lehrkräfte der Sek. II selbst auch Praxiserfahrungen in Hospitationen in der Arbeitswelt jenseits des Schulwesens sammeln und hierfür die unterrichtsfreien Zeiten nutzen.

In § 4 Abs. 3 ThürSchulG soll Satz 2 wie folgt eingefügt werden: „Praxisorientiertes Lernen und berufliche Orientierung sind durchgängiges Prinzip des Unterrichts.“

Die LIGA unterstützt die Verankerung einer praxis- und berufsorientierten schulischen Ausbildung. Mit Blick auf Schüler*innen mit besonderen Förderbedarfen schlägt die LIGA eine Erweiterung der Vorschrift dahingehend vor, dass Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Teilnahme an spezialisierten, förderbedarfsbezogenen und individualisierten Angeboten ermöglicht wird.

Die Erweiterung ist sinnvoll, weil damit die frühzeitige berufliche Orientierung für Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht gestärkt wird. Förderzentren und Förderschulen können durch ihre Spezialisierung eine qualitativ und quantitativ hochwertigere praktische und berufliche Orientierung leisten, als es in Regel- und Gemeinschaftsschulen derzeit der Fall ist. Mit der Erweiterung des Gesetzes besteht für die Schulen die Möglichkeit der Bildung vielfältiger und neigungsorientierter Netzwerke zur Verbesserung der beruflichen Orientierung.

Weiterentwicklung des längeren gemeinsamen Lernens an einer Gemeinschaftsschule (Artikel 1, Nr. 3)

Die LIGA begrüßt den Ausbau der Gemeinschaftsschulen durch die vorgeschlagene Gesetzesänderung. Inklusion kann nur gelingen, wenn diese nicht ausschließlich auf Schüler*innen mit Behinderungen bezogen ist, sondern Schule generell nicht zu frühzeitig segregiert, aufteilt und Gruppen bildet. Auch hinsichtlich des Ziels, Chancengleichheit für alle Schüler*innen zu ermöglich, sind gerade an Gemeinschaftsschulen die Bildungschancen von Schüler*innen aus bspw. bildungsfernen Familien am höchsten. Die „Gemeinschaftsschule als Schule der Vielfalt“ ist eine Schulart der Zukunft. Aus diesem Grund weist die LIGA auf die Notwendigkeit eines untergesetzlich geregelten Qualitätsrahmens hin, der qualitative Mindeststandards für Gemeinschaftsschulen vorgibt.

Besondere Leistungsfeststellung (Artikel 1, Nr. 4)

In der 10. Klasse des Thüringer Gymnasiums eine mittlere Reife durch Prüfung zu erlangen, ist eine wichtige Erkenntnis in Auswertung des Gutenberg-Ereignisses 2002. Dafür wurde die sogenannte Besondere Leistungsfeststellung konzipiert (BLF), die allerdings nicht bundesweit anerkannt ist. Gleichwohl sollte am Ende der Klassenstufe 10 eine auch im Realschulbereich anerkannte Prüfungsleistung mit entsprechendem Abschluss erbracht werden, die bundesweit anerkannt ist.

Ganztag (Artikel 1, Nr. 5)

Die LIGA begrüßt die Möglichkeit des Ausbaus der Ganztagsschule, orientiert an den spezifischen Bedürfnissen der jeweiligen Schule.

Dabei sollten die Belange von Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf stärker berücksichtigt werden. Insbesondere Schüler*innen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung benötigen in allen Schulstufen eine Hort- und eine sonderpädagogische Ferienbetreuung. Die Erweiterung zur Ganztagsschule sollte aber nicht an „personellen, sächlichen und räumlichen Möglichkeiten“ geknüpft werden. Über die beabsichtigte Erweiterung hinaus sollte ein generelles Ganztagsangebot geschaffen werden, das sich an den Bedarfen der Schüler*innen orientiert, aber auch regionale Besonderheiten eines Schulstandortes mitdenkt. Nur so können qualitativ gute Ganztagsangebote ermöglicht werden.

Auswahlverfahren (Art 1, Nr. 7)

Die LIGA begrüßt diese Regelung ausdrücklich, da sie das gesetzlich verankerte freie Schulwahlrecht für die Schüler*innen weitreichend ermöglicht und der hohen Qualität und konzeptionellen Vielfalt der freien Schulen in Thüringen gerecht wird.

Schulbesuch außerhalb Thüringens (Art. 1, Nr. 8)

Die LIGA begrüßt die vorgeschlagene Gesetzesänderung. Für Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, aber auch im Raum angrenzender Bundesländer sowie unter Berücksichtigung beruflicher und familiärer Belange der Eltern besteht dieser Bedarf in einzelnen Fällen.

Schulpflichterfüllung in der Fachklasse der Berufsschule (Artikel 1, Nr. 9.)

Diese Initiative ist vollumfänglich zu begrüßen, da damit bestehenden Benachteiligungen entgegengewirkt wird.

Sie greift den gesetzgeberischen Willen auf, frühzeitig eine praxis- und berufsorientierte Bildung zu gewährleisten. Insbesondere Schüler*innen mit dem Förderschwerpunkt Lernen, die die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen, können von dieser Neureglung profitieren und ohne dem Umweg über das Berufsvorbereitende Jahr (BVJ) in eine Fachklasse der Berufsschule aufgenommen werden. Die mit der Änderung durch Artikel 1, Nr. 1 beabsichtigte frühzeitige berufliche Orientierung kann unmittelbar in eine Berufsausbildung einmünden.

Distanzunterricht (Artikel 1, Nr. 11)

Die vorgesehene Präzisierung der „digitalen Lernumgebung“ wird von der LIGA begrüßt, ebenso die Verankerung des Distanzunterrichts beim Ausfall von Präsenzunterricht. Die mit § 45a Abs. 2 Ziffer 1 bis 3 nunmehr vorgenommene Beschreibung der Tatbestände, die einen Distanzunterricht ermöglichen, sind aber ergänzungs- bzw. klarstellungsbedürftig. Die Möglichkeit des Distanzunterrichts für „einzelne Personen“ (§ 45a Abs. 2 Ziff. 1) kann Chancen für Schüler*innen mit schweren und mehrfachen Behinderungen sowie Schüler*innen bieten, die z.B. aufgrund einer schweren Erkrankung phasenweise im häuslichen Umfeld unterrichtet werden. Dabei ist jedoch die Formulierung „Ausschluss […] einzelner Personen […] zum Schutz von Leben und Gesundheit“ ungeeignet, das Erfordernis von Distanzunterricht in geeigneter und angemessener Weise zu formulieren. Vielmehr sollte § 45a Abs. 2 um eine Ziffer 4 ergänzt werden, wonach Distanzunterricht auch dann stattfindet, wenn Schülerinnen und Schüler aufgrund einer schweren Erkrankung oder Behinderung nicht am Präsenzunterricht teilnehmen können.“

Darüber hinaus bedarf der Ausbau von Distanzunterricht neuer methodischer Ansätze, die allein durch die sächlichen, im Zuge der Digitalisierung bereitgestellten Mittel nicht erfolgreich umgesetzt werden können. Die Erweiterung um die Beschulung im Distanzunterricht bedarf einer entsprechenden Qualifikation der Lehrkräfte. Dies sollte sich im vorliegenden Gesetzesentwurf wiederfinden. Zur Umsetzung der Qualifizierung sollten vom Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (Thillm) entsprechende Fortbildungsangebote eingerichtet werden.

Pädagogische Assistenzkräfte (Artikel 1, Nr. 12d)

Die LIGA erkennt den Bedarf an zusätzlichem qualifiziertem pädagogischem Personal an, gerade in Schulen mit einer besonders heterogenen Schülerschaft.

Die hier vorgeschlagenen „Pädagogische Assistenzkräfte“ sollen Lehrer*innen, Erzieher*innen sowie Sonderpädagogische Fachkräfte in der Bewältigung des pädagogischen Alltages unterstützen. Der Begründung der Gesetzesänderung (Seite 4, Lit. d. Kosten) ist zu entnehmen: „Die Vergütung sollte unter der einer Erzieher*in liegen, die der Entgeltgruppe S 8a zugeordnet wird.“ Damit entsprächen die grundlegenden Aufgaben und die Vergütungen denen der Integrationshelfer*innen / Schulassistenzen, die über die Eingliederungshilfe für Schüler*innen mit Behinderungen finanziert werden. Im Freistaat Thüringen, insbesondere in Kommunen und Landkreisen mit einer hohen Inklusionsquote besteht eine hohe Zahl an Integrationshelfer*innen. Dabei zeigt sich die Herausforderung, dass Integrationshelfer*innen nicht nur „unterstützen“, sondern vielfältige pädagogische Aufgaben übernehmen müssen, dafür jedoch weder ausgebildet sind, noch hinreichend vergütet werden. Dieses Problem wird sich auf die pädagogischen Assistenzkräfte übertragen, was zur Entprofessionalisierung führt und mit einer Vergütung im unteren Lohnsektor einhergeht.

Dementgegen sollten die Ausbildung und Personalgewinnung bei Erzieher*innen sowie sonderpädagogischen Fachkräften vorangetrieben werden.

Wegen der erforderlichen Abgrenzung zu Fachpädagog*innen schlagen wir den Begriff der „schulischen Assistenzkräfte“ vor. Es geht darum, Pädagog*innen in ihrer täglichen Arbeit durch die Abnahme organisatorischer, allgemeiner Beaufsichtigungen von Schüler*innen, verwalterischer oder hauswirtschaftlicher Aufgaben zu entlasten, jedoch nicht die direkte Betreuung von Kindern und Jugendlichen zu übernehmen. Die Regelungen des Bundeskinderschutzgesetzes sind selbstverständlich einzuhalten.

Zudem braucht es zwingend die Klarstellung, dass das Vorhandensein der „schulischen Assistenzen“ an den Schulen keine Auswirkungen auf den Bedarf von Kindern mit Behinderungen im Hinblick auf deren Integrationshelfer*innen und Schulbegleiter*innen hat und deren Aufgaben unverändert bleiben.

Schulverwaltungsassistenz (Artikel 1, Nr. 13)

Der Vorschlag wird von der LIGA mitgetragen. In der Konsequenz hat bei Schulen in freier Trägerschaft eine Berücksichtigung der Mehrkosten bei der Ermittlung der IST-Kosten und eine entsprechende Anhebung der Finanzhilfesätze zu erfolgen.

Schulsozialarbeit (Artikel 1, Nr. 14)

Die weitergehende Verankerung der Schulsozialarbeit im Schulgesetz wird von der LIGA ausdrücklich begrüßt, da die Etablierung multiprofessioneller Teams an Schulen ein Garant für gelingenden inklusiven Unterricht ist und den vielfältigen Bedarfen der Schüler*innen gerecht wird. Auch hier bedarf es jedoch einer Ergänzung des Gesetzes um eine Regelung, die freie Schulträger als Mittelempfänger zur Finanzierung von Schulsozialarbeit mitberücksichtigt.

Eine individuelle berufliche Orientierung benötigt Zeitressourcen der Beratungslehrkräfte und kann durch die offizielle Erweiterung dieser Aufgabe über die mit ihrer Qualifikation dafür auch prädestinierten Schulsozialarbeiter*innen unterstützt werden.

Schulentwicklungsprogramm (Artikel 1, Nr. 16)

Die LIGA unterstützt eine Zusammenführung von Schulentwicklungsprozessen und die Schaffung einer entsprechenden Verpflichtung. Die Profilschärfung bietet gerade für Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf und deren Personensorgeberechtigte die Chance, eine geeignete Schule auszuwählen.

Artikel 2 - Änderung des Thüringer Lehrerbildungsgesetzes

Die LIGA begrüßt die geänderte Regelung, Lehrbefähigungen und Berechtigungen nicht mehr schulartbezogen, sondern bezogen auf Klassenstufen unabhängig von der Schulart zu definieren. Auch die Zusammenlegung der bisherigen schulartbezogenen Lehrämter ist ein guter Schritt hin zu flexibleren Einsatzmöglichkeiten von Lehrkräften im Zuge des Lehrkräftemangels. Um dem aktuellen Lehrkräftemangel künftig erfolgreich zu begegnen, ist es darüber hinaus notwendig, dass sich die Arbeitsbedingungen von Lehrkräften verbessern und der Lehrerberuf dadurch an Attraktivität gewinnt.

2 . Stellungnahme zum „Dritten Gesetz zur Änderung der Thüringer Schulgesetzes – Gute Bildung und Stärkung des Elternwahlrechtes“ (Drucksache 7/5371)

Vorrangig soll auf die grundsätzlichen Ziellinien einer in unseren Augen zukunftsfähigen Bildungspolitik eingegangen werden.

Bei der Suche nach einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Bildungspolitik steht bei den in den LIGA-Verbänden vertretenen Schulträgern die einzelnen Schüler*innen mit deren jeweils spezifischen Förderbedarfen im Vordergrund. Dabei gilt es einerseits die tatsächlich zur Verfügung stehenden personellen und sächlichen Ressourcen realistisch in den Blick zu nehmen, andererseits eine erfolgreiche schulische Bildung an den verschiedenen und vielschichtigen Förderbedarfen aller Schüler*innen zu orientieren, räumliche Gegebenheiten innerhalb der Schullandschaft zu berücksichtigen und Raum für ein „atmendes“ Bildungssystem zu schaffen.

Gleichsam wird es begrüßt, die Schulen in freier Trägerschaft nicht nur formell als gleichberechtigte Bildungseinrichtungen anzusehen, sondern ihre Besonderheiten in eine erfolgreiche Bildungspolitik zu integrieren, nehmen sie doch häufig eine Vorreiterrolle ein. Unverzichtbar sind dabei die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und des Rechts auf freie Schulwahl durch die Eltern. Beides darf nicht offen und/oder schleichend aufgeweicht werden.

Eine staatliche Bevormundung wird grundsätzlich abgelehnt.

Die im Rahmen der geltenden Fassung des § 8a ThürSchulG mehrfach angezeigte
Notwendigkeit einer Klarstellung (auch im Verwaltungsverfahren), das sich aus der sogenannten Lehrortempfehlung keine Bindung an den darin auch ausgesprochenen konkreten Lernort ergibt und ein Recht auf Auswahl auch einer Förderschule in freier Trägerschaft bereits in der Schuleingangsphase besteht, wird befürwortet. Bei der Lernortentscheidung der Eltern sind Schulen in freier Trägerschaft mit staatlichen Schulen gleichzustellen. Die Forderung nach einer Gleichbehandlung der freien Schulen entsprechend den staatlichen Schulen besteht nach wie vor. Dies betrifft auch die Bereiche der Kommunikation mit den Schulämtern sowie der Einstellung und Qualifizierung von Lehrkräften.

Die von der Fraktion der CDU und der Parlamentarischen Gruppe der FDP dargelegten Problem und Regelungen werden von der LIGA positiv bewertet. Sie betreffen insbesondere Belange von Schüler*innen mit Förderbedarfen. Dazu gehört die Förderung von Teilhabe und Inklusion ebenso wie die gleichrangige Weiterentwicklung einer qualitativ hochwertigen spezifischen sonderpädagogischen Förderung an Förderschulen. Bei dieser Betrachtung ist auch auf regionale Unterschiede und Bedarfe innerhalb der Schullandschaft des Freistaates Thüringen einzugehen.

Die im Zusammenhang mit vorausgegangenen Änderungen des Schulgesetzes von den Antragstellern dargelegten Probleme sind der LIGA aus dem Kreis der in ihr verbundenen Schulen ebenso zurückgemeldet worden. So sind die räumlichen, sächlichen und personellen Bedingungen für eine qualitativ und quantitativ hochwertige Unterrichtung der Schüler*innen im gemeinsamen Unterricht aus Sicht der Personensorgeberechtigten und Mitgliedseinrichtungen häufig unzureichend. Dieser Umstand führt mitunter zur Ablehnung einer inklusiven Beschulung. Dies kann bei Schüler*innen mit leichten Förderbedarfen zu einem Wechsel an eine Förderschule führen, obschon eine inklusive Beschulung unter Berücksichtigung des eigentlichen Elternwillens sowie räumlicher Belange ggf. die geeignetere Form der Beschulung darstellen würde. Deshalb fordert die LIGA wiederholt eine bessere Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für einen gelingenden gemeinsamen Unterricht.

Dem Erfordernis, die Schulträger und die Schulaufsicht stärker zu verpflichten, die räumlichen, sächlichen und personellen Bedingungen zu schaffen, bevor das Kind mit Förderbedarf den gemeinsamen Unterricht besucht, wird deshalb aus Sicht der LIGA zugestimmt. Neben den Qualitätsverbesserungen kann so auch eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz der inklusiven Beschulung erreicht werden.

Hinsichtlich der Berücksichtigung des Elternwillens zeigt sich in der Praxis, dass die Eltern von Schüler*innen mit sonderpädagogischen Förderbedarf und dabei insbesondere die (zahlenmäßig) nicht kleine Gruppe der Eltern aus so genannten bildungsfernen Familien oder mit eingeschränkten Kenntnissen der deutschen Sprache in den Möglichkeiten der Willensbildung und Willensbekundung zum Lernort durch das derzeit praktizierte Schulaufnahmeverfahren erheblich eingeschränkt werden. So ist es zu beobachten, dass Eltern teilweise von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Mobilen Sonderpädagogischen Dienstes (MSD) angewiesen werden, ihre Kinder im gemeinsamen Unterricht einzuschulen. Spezialisierte Förderschulen werden als Lernorte nicht oder erst auf Nachfrage genannt. Der von den Antragstellern vorgestellte Vorschlag, den Elternwillen durch eine eindeutige Formulierung zu stärken, kann deshalb Klarheit bringen und eine bedarfsgerechte Einschulung garantieren.

Im Einklang damit sollte auch die zügige weitere Umsetzung des nunmehr geltenden Verfahrens zur Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfes stehen. Dazu zählt einerseits die hinreichende personelle Ausstattung des Mobilen Sonderpädagogischen Dienstes für die nunmehr ausschließlich dem MSD obliegenden Begutachtung und Feststellung eines Förderbedarfes sowie die Einführung eines geeigneten Verfahrens, das insbesondere den Förderschulen in freier Trägerschaft – auch unter Beachtung erheblicher finanzieller Aufwendungen, die mit der Aufnahme und Unterrichtung von Schüler*innen mit erheblichen Förderbedarfen verbundenen sind – Sicherheit bietet.

3. Stellungnahme zum Antrag „Inklusive Schulentwicklung in Thüringen weiter unterstützen“ (Drucksache 7/4760)

Die LIGA begrüßt den Antrag zur Beantwortung der Fragen an die Landesregierung. Die LIGA bietet bei der Umsetzung dieses Vorhabens ausdrücklich ihre Unterstützung und fachliche Expertise an. Sie bittet um Einbeziehung in die entsprechenden Vorgänge. Insbesondere im Rahmen der Befassung mit einer Inklusionsquote im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung kann die Fachexpertise der in der LIGA verbundenen Förderschulen bereichern.

4. Stellungnahme zum Antrag „Kinder in den Mittelpunkt stellen – für starke Förderschulen und hochwertigen gemeinsamen Unterricht (Drucksache 7/4674)

Die LIGA unterstützt die von der parlamentarischen Gruppe der FDP dargelegten Begründungen und Empfehlungen für die Landesregierung. Förderzentren und Förderschule müssen (wieder) stärker in die regionale Bildungsplanung einbezogen werden und Möglichkeiten erhalten, als Schule mit eigenen Schüler*innen zu agieren und sich in der regionalen Schullandschaft zu vernetzen. Anerkannt werden muss, dass auch Förderschulen zu einer inklusiven Bildungslandschaft beitragen. Dabei ist hervorzuheben, dass – im Gegensatz zu anderen Ländern – gerade Kindern und Jugendlichen mit schweren Behinderungen die Möglichkeit einer differenzierten und an ihren Förderbedarfen orientierte breite Schullandschaft zur Verfügung steht.

Eine solche Schullandschaft sollte von inklusiven Schulformen mit gemeinsamen Unterricht bis hin zu den auf spezielle Förderbedarfe ausgerichtete Schulen mit besonderem Profil reichen und über die notwendigen baulichen, sächlichen und personellen Voraussetzungen verfügen. Sie sollte an den Förderbedarfen der Schüler*innen, an regionalen Besonderheiten in der Schullandschaft ausgerichtet und flexibel bei der Aufnahme von Schüler*innen, aber auch flexibel beim Wechsel von einer Schulform in die andere ausgerichtet sein.

Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung bilden eine wichtige Schulart in einem Bildungssystem, um allen Schüler*innen eine Teilhabe an besonderer Förderung ermöglicht. Die Bewertung dieser Schulart als segregierende Einrichtung im Sinne der Bewertung von Inklusionsquoten (s. Antrag 3 Absatz II Punkt 2, S. 2) ist deshalb irreführend. Auch im Hinblick auf Förderzentren/-schulen mit anderen Förderschwerpunkten scheint die Erfassung einer Inklusionsquote wenig bis nichts darüber auszusagen, wie gut Schüler*innen am gemeinsamen Unterricht teilhaben kann. Ebenso sagt eine Segregationsquote nichts darüber aus, welches Maß an Teilhabe Schülerin*innen am Förderzentrum/ der Förderschule erreichen kann.

Die LIGA unterstützt den Antrag auch, weil die Akzeptanz von Inklusion dann steigen wird, wenn Menschen mit Behinderung durch Integration im Alltag sichtbar werden. Voraussetzung hierfür ist eine breit und vielfältig angelegte Schullandschaft.

Die LIGA Thüringen steht über diese Stellungnahme hinaus weiterhin mit ihrer Fachexpertise zu Schulen in Freien Trägerschaft für Gespräche zur Verfügung stehen.

 

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