Stellungnahme zur Drucksache 7/3387 und Drucksache 7/3356

1. Grundsätzliches

Die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen, im weiteren genannt LIGA, unterstützt das Anliegen beider Gesetzesentwürfe, die Beteiligung verschiedener Personen, Gruppen und Institutionen an der politischen Willensbildung der Öffentlichkeit transparent zu machen.

Es ist ein Grundbestandteil eines demokratischen Staatswesens, in politische Willensbildungsprozesse unterschiedliche Interessenvertretungen, Vereine, Organisationen, Unternehmen, Einrichtungen und Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen. Dieses geschieht in verschiedenen informellen und formellen Gesprächsformaten der Regierung, Ministerien, Verwaltungen, Fraktionen und einzelner Abgeordneter und zudem umfänglich in offiziellen Stellungnahmeverfahren des Landtages. Diese Partizipationsprozesse führen zu abgewogenen Entscheidungsprozessen zum Wohle des Gemeinwohls. Damit hat Lobbyismus eine notwendige positive Funktion.

Zugleich hat Lobbyismus ein Gefährdungs- und Korruptionspotential. Dieses gilt es durch sinnvolle Transparenzregelungen so gering wie möglich zu halten. Deshalb begrüßt die LIGA grundsätzlich die beiden Gesetzesinitiativen der Fraktionen des Thüringer Landtages.

Die LIGA nimmt als Interessensvertretung der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege Stellung zu den vorgeschlagenen Änderungen bzw. Erweiterungen des Beteiligtentransparenzdokumentations-gesetzes.

Die LIGA gibt keine Stellungnahme ab zur Änderung des Thüringer Abgeordnetengesetzes.

Es gehört zu den satzungsmäßigen Aufgaben der LIGA und der in ihr zusammengeschlossenen einzelnen Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, sich aktiv in gesellschaftliche Diskussionsprozesse und politische Gestaltungs- und Entscheidungsprozesse einzubringen. Zu den satzungsgemäßen Aufgaben der LIGA ist geregelt (§ 2 Vereinszweck, (2) 3. und 4.):

  • Mitwirkung an der Gesetzgebung, Zusammenarbeit mit der Landesregierung und Organen der Selbstverwaltung in zentralen sozialen Angelegenheiten in Thüringen.
  • Wahrung und Vertretung der gemeinsamen Belange der Freien Wohlfahrtspflege im Freistaat Thüringen in der Öffentlichkeit, gegenüber der Landesregierung, den staatlichen und kommunalen Verbänden und allen sonstigen Organisationen der öffentlichen Selbstverwaltung, in Fachorganisationen und –verbänden soweit Aufgabengebiete der Freien Wohlfahrtspflege berührt werden.

Die Erstellung eines Lobbyregisters wird von der LIGA unterstützt, da öffentlich erkennbar wird, welche Personen und Institutionen mit den politisch Verantwortlichen in einem Dialog stehen. Wichtig ist der LIGA, dass die im Lobbyregister hinterlegten Informationen zum einen hinreichend aussagefähig sind und zum anderen eine pragmatische Realisierung ermöglichen.

2. Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU: Thüringer Gesetz zur Stärkung der parlamentarischen Demokratie durch maximaleTransparenz, Drucksache 7/3387 vom 27.05.2021

2 Registrierungspflicht

Eine Registrierungspflicht wird in den im Gesetzentwurf genau beschriebenen Vorhaben und Entscheidungsprozessen als sinnvoll angesehen. Damit wird die Einflussnahme auf den demokratischen Willensbildungsprozess gegenüber dem Landtag (inklusive seiner Gremien, Fraktionen und Mitglieder) und gegenüber der Landesregierung und ihren einzelnen Mitgliedern transparent und nachvollziehbar. Es geht in § 2 um die wesentlichen Vorgänge des Landtages und der Landesregierung. Zugleich ist der kontinuierliche Dialog von Abgeordneten, der Regierung und der Ministerien zu fachkundigen Bürgerinnen und Bürgern und Organisationen, der eine demokratische Regierungsform prägt, weiterhin ohne eine zusätzliche Formalisierung gewährleistet. Es ist sehr wichtig, dass die Kontaktaufnahme sowohl von Bürgerinnen und Bürgern als auch von Institutionen zum Zweck der Einflussnahme auf die in § 2 (1) Nr. 1 und Nr. 2 genannten Vorgänge von dem alltäglichen Dialog der Abgeordneten und der Regierung mit Bürgerinnen und Bürgern unterschieden wird. Parlamentarismus ist angewiesen auf intensive Kommunikation vieler verschiedenen Menschen, ohne dass dieses per se registrierungspflichtige Lobbytätigkeit ist.

Die transparente Veröffentlichung jeder Person oder Institution, die eine Dienstleistung zur inhaltlichen Vorbereitung von nach § 2 Absatz 1 registrierungspflichtigen Tätigkeiten erbringt, ist zu begrüßen.

 

3 Registerinhalt

Zu (2) Nr. 14

In diesem Punkt soll geregelt werden, dass mitgliedschaftlich verfasste Körperschaften und gemeinnützige Organisationen die Höhe der jährlichen Gesamteinnahmen veröffentlichen. Für die LIGA weder nachvollziehbar, noch umsetzbar, noch angemessen ist die geforderte Angabe der Spenden und der Spender.

Alle Wohlfahrtsverbände werben um Spenden, um ihre soziale Arbeit, Hilfe in Notsituationen einzelner Menschen und Folgen von Katastrophen zu finanzieren und Unterstützung zu leisten. Beispielhaft sei hier die Spendenmarke „Thüringen hilft“ der Diakonie Mitteldeutschland in Zusammenarbeit mit der Thüringer Allgemeinen und der Ostthüringer Zeitung, Caritas International, Diakonie Katastrophengehilfe etc. genannt. Zudem werden Spenden benötigt, um bei nicht auskömmlich finanzierten Unterstützungsangeboten die geforderten Eigenmittel aufzubringen. Diese Art der Spendensammlung gehört zu den genuinen Aufgaben von Wohlfahrtsverbänden und steht in keinem Zusammenhang mit der Lobbyarbeit. Eine Veröffentlichung der Namen der vielen Einzelspender ist vor allem durch den Datenschutz ausgeschlossen, mit dem Willen der Spender nicht vereinbar und - ganz pragmatisch - schlichtweg nicht umsetzbar. Insoweit bedarf es zwingend Ausnahmeregelungen für die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege und ihre Verbandsmitglieder.

Zu (2) Nr. 16

Der Gesetzentwurf sieht eine Dokumentation der wesentlichen Inhalte des Beitrags zu den registrierungspflichtigen Vorgängen nach § 2 Absatz 1 vor. Hier stellt sich die Frage, wie diese Dokumentationspflicht ausgestaltet wird. Die LIGA veröffentlicht grundsätzlich ihre Stellungnahmen und Positionen auf der Homepage www.liga-thueringen.de. Eine Möglichkeit wäre, dass registrierte Lobbyisten ihre Positionen und Stellungnahmen auf der eigenen Homepage verpflichtend veröffentlichen. Diese muss mit dem Lobbyregister verlinkt werden. Auf diese Weise sind die Beiträge öffentlich. Im Übrigen gehen wir davon aus, dass mit der hier vorgesehenen Dokumentationspflicht nicht gemeint ist, dass von jedem Gespräch mit einem Landtagsabgeordneten ein Protokoll angefertigt werden muss. Es  auch pragmatisch glieder ei nicht auskömmlich finanzierten Unterstützungsangeboten die geforderten Eigenmittel aufzubringen.

 

4 Pflichten der Landesregierung und des Landtags

Es wird ein Absatz 2 eingefügt, der regelt, dass die Landesregierung dem Landtag die nach § 3 registrierungspflichtigen Informationen (exekutiver Fußabdruck) übermittelt. Der neue Absatz 3 regelt dieses für die Einreicher (einbringende Fraktionen und Abgeordnete) in gleicher Weise. Es bedarf einer genau und konkret ausgestalteten Dokumentationspflicht, die die Verhältnismäßigkeit und die praktische Umsetzbarkeit im Blick hat.

3. Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Thüringer Gesetz zur Herstellung von mehr Transparenz in der Politik, Drucksache 7/3356 vom 19.05.2021

7 Begriffsbestimmungen

In (1) wird die Interessenvertretung umfassend beschrieben. „Jede Tätigkeit zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf den Willensbildungsprozess“ bedeutet allerdings, dass darunter auch jedwedes Gespräch einer Bürgerin oder eines Bürgers mit einem Abgeordneten des Landtages verstanden werden kann. Aus der Perspektive eines Abgeordneten bedeutet das in der Konsequenz, dass zukünftig penibel darauf zu achten ist, über politische Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse nur mit Personen zu sprechen, die im Lobbyregister verzeichnet sind.  In der aufgeführten Weise ist diese Forderung realitätsfern. Sie ist weder praktikabel noch ist sie die angemessene Antwort auf die Intentionen des Lobbyregisters, das so einen unverhältnismäßigen Umfang erhält, der keine Aussagekraft mehr hat. Bürgernähe schließt diese Regelung im Übrigen aus.

In (2) sind eintragungspflichtigen Tätigkeiten nicht abschließend aufgezählt. Inhaltliche Bezüge zu Gesetzentwürfen, Kabinettsvorlagen etc. ist darüber hinaus eine so weite und ungenaue Beschreibung, so dass letztlich jeder Kontakt und jedwedes Gespräch (also auch das zufällige Gespräch auf der Straße) mit einem Abgeordneten zu einer eintragungspflichtigen Tätigkeit führt.

 

9 Registrierung im Lobbyregister

Nach (1) Satz 2 ist jede Kontaktaufnahme zur Interessenvertretung eintragungspflichtig. In unserer Gesellschaft stark auf Dialog und Kommunikation setzende demokratische Entscheidungsprozesse stehen damit durchaus in Gefahr, behindert zu werden. Wenn Bürgerinnen und Bürger nicht mehr unkompliziert das Gespräch mit ihren Abgeordneten führen können, ohne in das Lobbyregister eingetragen zu sein, wäre dieses eine negative Folge für eine gelebte Demokratie.

 

10 Inhalt der Registrierung im Lobbyregister

Aus der Sicht eines Spitzenverbandes der Freien Wohlfahrtspflege sind die in (1) Nr. 3 umfangreich aufgeführten Angaben wenig zielführend. Wohlfahrtsverbände sind satzungsgemäß in einem Dialogprozess mit politischen Entscheidungsträgern in gemeinsamer Verantwortung für die Weiterentwicklung des Sozialstaates, zur Abwendung sozialer Notlagen und der Ausgestaltung sozialer Unterstützungsstrukturen. Es gibt bei Wohlfahrtsverbänden keine spezifischen Auftraggeber für Lobbytätigkeit. Die Interessenvertretung der Menschen in sozialen Notlagen und mit Unterstützungsbedarf und auch der Erbringer sozialer Leistungen gegenüber Politik und Verwaltung ist per se Aufgabe und genuiner Auftrag eines Wohlfahrtsverbandes und entsprechend in der jeweiligen Verbandssatzung verankert.

Nach (1) Nr. 2d müssten die Wohlfahrtsverbände sämtliche ihrer Führungskräfte aller Ebenen, Referentinnen und Referenten etc. die in fachpolitischen Dialogen, Beratungs- und Austauschprozessen mit Abgeordneten und Mitarbeitenden der Ministerien stehen, namentlich registrieren lassen. Diese Formen der Zusammenarbeit, in die gelegentlich auch Praxisexperten aus den konkreten Diensten und Einrichtungen der Verbände hinzugezogen werden, gehören zu den normalen kontinuierlichen Arbeitsprozessen der Zusammenarbeit der Wohlfahrtsverbände mit der Sozialverwaltung und Sozialpolitik. Dieser Umfang der Registrierungspflicht ist aus unserer Sicht unverhältnismäßig. Hingewiesen sei hier auf das VIII. Sozialgesetzbuch § 4 (1). § 4 regelt, dass die öffentliche Jugendhilfe mit der freien Jugendhilfe zum Wohle von Jugendlichen und ihren Familien partnerschaftlich zusammenarbeiten soll. Zusammenarbeit, zumal partnerschaftlich, ist hier beispielhaft gesetzlich geregelt. Diese Form der Zusammenarbeit findet über alle Sozialgesetzbücher hinweg in regelmäßigen Gesprächsformaten zwischen den Kolleginnen und Kollegen der Wohlfahrtsverbände bspw. mit dem Ministerpräsidenten, den Spitzen verschiedener Ministerien und auf Arbeitsebene statt. Es steht außer Frage, dass sich die Wohlfahrtsverbände mit ihren Rechtsvertretungen im Lobbyregister eintragen. Die Eintragung und im Übrigen ständige Aktualisierung der Angaben der bspw. Fachreferentinnen und Fachreferenten jedes einzelnen Wohlfahrtsverbandes zur Herstellung von Transparenz ist nicht erforderlich. Es würde nur zu einem unnötigen Aufblähen des Registers führen.

 

Fazit: Die LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen unterstützt die Herstellung von Transparenz politischer Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse der Regierung und des Landtages. Ein Lobbyregister kann dafür ein geeignetes Instrument sein. Dabei ist genau zwischen den verschiedenen Institutionen und deren Zwecke zu unterscheiden. Die besondere, gesetzlich ausgestaltete Rolle der Wohlfahrtsverbände ist entsprechend zu berücksichtigen.

Zugleich darf der Aufbau eines Lobbyregisters den kontinuierlichen und möglichst niederschwelligen Dialog der politisch Verantwortlichen mit den Bürgerinnen und Bürgern des Freistaates Thüringen nicht be- oder auch verhindern. Natürlich treten Bürgerinnen und Bürger mit ihren individuellen Interessen an die politischen Entscheidungsträger heran, dies ist in einem demokratischen Staat gewollt und zwingend notwendig. Dieser Bürgerdialog muss gefördert und auf keinen Fall durch formale Vorgaben beeinträchtigt werden.

Zurück