Stellungnahme zur Fortschreibung des Landesjugendförderplans 2023 bis 2027

Grundsätzliches

Wir möchten die Gelegenheit nutzen, um zwei aus unserer Perspektive zentrale Herausforderungen zu benennen.

  1. Die Pandemie ging mit zahlreicher Einschränkung der Freizeitmöglichkeiten junger Menschen einher. Kontakte mussten minimiert werden, Freiräume waren geschlossen und Kinder- und Jugenderholungen konnten nicht oder nur eingeschränkt stattfinden. Träger und Einrichtungen wurden durch ausgefallene Maßnahmen belastet. In diesem Kontext wurde die Bedeutung der Kinder- und Jugenderholung und außerschulischen Jugendbildung von Politik und Verwaltung offenbar neu entdeckt. Zusätzliche Mittel wurden etwa im Rahmen von Sonderprogrammen zur Verfügung gestellt. So wurde etwa der Kinder- und Jugendplan des Bundes mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet und die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung hat das Programm „AUF!leben – Zukunft ist jetzt“ aus Mitteln des Bundes aufgelegt. Auch das Land hat zusätzliche Aktivitäten gefördert. Das neue Bewusstsein für die Wichtigkeit dieser Bereich sollte die Pandemie überdauern.
    Denn schon vor der Corona-Pandemie waren Freizeitmöglichkeiten, Freiräume, Kinder- und Jugenderholung und Bildung nicht allen jungen Menschen zugänglich. Es existiert seit vielen Jahren eine verfestigte Kinder- und Jugendarmut, die finanziellen Auswirkungen der Pandemie treffen wiederum diejenigen besonders hart, die wenig haben. Auch ohne Pandemie haben diese jungen Menschen häufig einen besonders stressigen Alltag, schlechte Freizeitvoraussetzungen und sind besonders von Bildungsungerechtigkeit betroffen. Um Effekten der Pandemie und der Kinder- und Jugendarmut zu begegnen, muss das Land die Voraussetzungen der Kinder- und Jugenderholung und außerschulischen Jugendbildung so gestalten, dass mehr Kinder erreicht werden können. Neben einer fachlichen Auseinandersetzung mit Fragen der Kinder- und Jugendarmut und dem Beitrag, den die Jugendarbeit hier zur Abmilderung der Folgen leisten kann, bedarf es einer Schulung von Haupt- und Ehrenamtlichen, eine Ausweitung der Angebote und einer Reduktion der Teilnahmebeiträge durch eine bessere Förderung.

  2. Demokratische Bildung ist ein wichtiger Teil der Jugendhilfe und insbesondere der Jugendarbeit. Gegenwärtig ist unsere Gesellschaft durch verschiedene Megatrends und Krisenphänomene herausgefordert. Eine entsprechende Würdigung hat der 16. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung vorgenommen. Angesichts dieser Bedeutung braucht es jedoch auch eine höhere Gewichtung und entsprechende Förderung der politischen Bildung im Kinder- und Jugendalter. Wir sehen diesbezüglich zwei zentrale Herausforderungen:
    1. „Unterschätzte Räume“ (16. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung) müssen für die politische Bildung erschlossen werden, aus Sicht der LIGA Thüringen kommt hier der Kooperation der Jugendarbeit mit den stationären Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung und der Jugendsozialarbeit eine besondere Bedeutung zu.

    2. Die Förderung des Landes sollte auf eine Stärkung der Strukturen zielen, statt weitere Projekte zu schaffen. Vereine und Jugendverbände sind für junge Menschen weiterhin eine zentrale Sozialisationsinstanz neben Familie und Schule. Das Vereinsprinzip „mit seinen Prinzipien der Lokalität, freiwilligen Mitgliedschaft, wechselseitigen Verpflichtungen zum Ehrenamt, sowie [eigener] Öffentlichkeit“ ist besonders für die Demokratiebildung prädestiniert, da hier Demokratie als Gegenstand der außerschulischen Bildung mit einer demokratischen Form des Bildungsprozesses, junge Menschen als Urheber*innen und Adressat*innen zugleich angesprochen werden können und einen Übergang zwischen politischer Bildung und politischer Aktivität ermöglicht wird.

Konkrete Bedarfe

Aus diesen grundsätzlichen Überlegungen und dem Grundsatz der Berücksichtigung einer angemessenen Eigenleistung (§74 Abs 1 Nr. 4 SGB VIII i.V.m. § 74 Abs.3 Satz 3 SGB VIII) ergeben sich folgende konkrete Bedarfe.

 

Erhöhung der Personalkosten

  • Selbst wenn unterstellt wird, dass die struktursichernden Stellen der Jugendverbände nur mit einer EG 9b TV-L zu bewerten sind werden, betragen die Kosten einer solchen Stelle in der Erfahrungsstufe 3 im Jahr 2021 ungefähr: 52T EUR. Bei einer Neueinstellung einer Fachkraft mit Berufserfahrung beträgt der Förderung des Landes nur etwa 50% - selbst, wenn die durch das Land übernommen Tarifsteigerungen zwischen 2016 und 2021 berücksichtigt werden.

    Häufig dürfte - angesichts höherer Eingruppierungen oder Erfahrungsstufen - der Anteil des Landes an den realen Kosten noch niedrigen liegen. Der angemessene monetäre Eigenanteil, der im Bereich der Jugendarbeit der Regel zwischen 10% und 20% angesetzt wird und real noch niedriger liegen dürfte ist damit weit überschritten. Schon jetzt sind einige Jugendverbände nicht in der Lage die erforderlichen Mittel aufzubringen. Statt einer angemessenen Förderung, hat das Land jedoch nur beschlossen, in diesen Fällen mit der gleichen Summe einen geringen Stellenumfang zu fördern und einen Eigenanteil von mindestens 5T EUR festzuschreiben – was immer noch etwa 20% entspricht. Personalkosten sind zukünftig entsprechend durch das Land anteilig mit mindestens 90% zu fördern.

 

Erhöhung der Sachkosten und Trennung der mit den Personalkosten verbundenen Sachkosten mit den Sachkosten der Jugendverbände

  • Bisher finden Sachkosten für die Personalstellen keine (angemessene) Berücksichtigung. Nach den Berechnungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sind z.B. pro 1,0 VzÄ 14.905 EUR p.A. für personenbezogenen Sachkosten und 28,1% der ermittelten Personalkosten nach Arbeitgeberbrutto für Personalgemeinkosten erforderlich. Diese Pauschalen beruhen auf einer Schätzung realer Kosten einer Personalstelle. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) legt für Büroarbeitsplätze sogar eine Gemeinkostenpauschale von 39,5% zugrunde – während das BMFSFJ hier nur die niedrigere Pauschale für Nicht-Büroarbeitsplätze für die Träger der Freiwilligendienste berücksichtigt. Auch die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) legt jährlich für die Kommunen eine Schätzung der mit einem Arbeitsplatz verbundenen realen Kosten vor. Verglichen mit diesen datenbasierten Schätzungen ist die Ausstattung der Träger mit Sachmitteln durch das Land ungenügend. Hinzu kommt, dass z.B. mit der Einführung der Verbandsreferent*innen Sachkosten für diese in der Förderung keinerlei Berücksichtigung fanden.
  • Die Sachkosten für die Jugendverbände, aus denen z.B. die Öffentlichkeitsarbeit oder größere Anschaffungen für Aktivitäten finanziert werden müssen (etwa Material für Ferienfreizeiten wie Zelte, Bierzeltgarnituren oder Kochgeschirr) muss auf Grundlage der allgemeinen Aufgaben der Jugendverbände berechnet werden und von den Sachkosten für Personal getrennt gefördert werden.

 

Erhöhung der Sätze und Mittel für die außerschulische Jugendbildung und die Kinder- und Jugenderholung

  • Obwohl die Sätze erst kürzlich erhöht wurden, ist eine erneute Erhöhung notwendig. Während die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) Ferienfreizeiten in 2022 aus Mitteln des Bundes mit 150 EUR je Tag und Teilnehmenden fördert, fördert das Land mit 24 EUR pro Tag und Teilnehmenden. In der Jugendbildung fördert das Land mit 22 EUR (eintägig) bzw. 34 EUR (mehrtätig) während Seminartage etwa im Freiwilligendienst mit 54 EUR je Tag und Teilnehmer*in gefördert werden. Vergleicht man diese Preise mit den Preisen der – öffentlich geförderten und steuerbegünstigten - Jugendherbergen oder EJW, wird deutlich dass mehrtägige Maßnahmen nur realisiert werden können, wenn entweder (mit erheblichem Personalaufwand) Drittmittel eingeworben werden, die Jugendverbände große Summen Eigenmittel einbringen oder hohe Teilnehmer*innen Beiträge genommen werden.
  • Mit der Erhöhung der Sätze ging keine Erhöhung der Mittel für Maßnahmen einher. Es ist also davon auszugehen, dass die Finanzierungslücke für die Jugendverbände verringert wurde, dies aber dazu führt, dass insgesamt weniger Maßnahmen durchgeführt werden können – während jugendpolitisch eine Ausweitung der Aktivitäten erforderlich wäre.

 

Förderung der Jugendbildungsstätten

  • Eine angemessene Förderung der Jugendbildungsstätten muss im kommenden Landesjugendförderplan umgesetzt werden.

 

Öffnung der Förderung der außerschulischen Jugendbildung und der Kinder- und Jugenderholung

  • Um eine Ausweitung der Aktivitäten zu ermöglichen muss die Möglichkeit Mittel für die außerschulische Jugendbildung und die Kinder- und Jugenderholung zu beantragen geöffnet werden und mindestens die anerkannten landesweiten Jugendbildungsstätten zukünftig berücksichtigt werden. Damit diese Öffnung nicht nur zu einer Verschiebung der Angebote von den Jugendverbänden zu anderen Trägern führt, müssen die Mittel entsprechend angehoben werden.

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