Stellungnahme zum Entwurf Fachliche Empfehlungen zu Fachkräften im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe in Thüringen
von Peter Kießling
Gemäß § 72 Abs. 1 SGB VIII sollen die Träger der Kinder- und Jugendhilfe hauptberuflich nur Personen beschäftigen, die sich für die jeweilige Aufgabe nach ihrer Persönlichkeit eignen und eine dieser Aufgabe entsprechende Ausbildung erhalten haben (Fachkräfte) oder aufgrund besonderer Erfahrungen in der Sozialen Arbeit in der Lage sind, die Aufgabe zu erfüllen.
Der uns vorliegende Entwurf der Empfehlung fokussiert insbesondere auf die Anforderungen an sozialpädagogische Fachkräfte. So werden neben Kriterien für die Geeignetheit der jeweiligen Personen anhand von Schlüsselkompetenzen adäquate Ausbildungsabschlüsse benannt.
Das Referat Investitionsprogramme „Kindertagesbetreuungsfinanzierung“, Kooperation Jugendhilfe - Schule hat u.a. die LIGA Thüringen um Rückäußerung zum Entwurf der fachlichen Empfehlungen zu Fachkräften im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe in Thüringen gebeten (Stand vom 4. Oktober 2022).
1. Schlüsselkompetenzen der Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe
Die Fach- und Sachkompetenzen (Seite 4) müssen aus Sicht der LIGA Thüringen um übergreifende Kenntnisse in den Themenbereichen geschlechtliche Vielfalt und Diversität sowie interkulturelle Kompetenzen erweitert werden.
Der zugehörige erste Aufzählungspunkt „Kenntnisse ethischer handlungsleitender Werte und Normen“ muss ein demokratisches Grundverständnis explizit benennen.
2.1 Handlungsfeld Kinder- und Jugendarbeit, Jugendverbandsarbeit und Jugendsozialarbeit (§§ 11 bis 13 SGB VIII)
Insgesamt sind die Veränderungen für den Bereich §§ 11 – 13 SGB VIII zu begrüßen. Einerseits tragen sie der angespannten Fachkräftesituation Rechnung und entsprechen andererseits auch der Einschätzung der LIGA Thüringen, dass insbesondere in den Bereichen §§ 11, 12 SGB VIII ein sozialwissenschaftlicher Abschluss – etwa in Soziologie – Anforderungen an eine fachliche Eignung genauso gut erfüllt wie etwa ein Abschluss in Psychologie.
Dass die grundsätzliche Anerkennung sozialwissenschaftlicher Hochschulabschlüsse wegfällt, wird nicht mitgetragen. Wünschenswert ist aus Sicht der LIGA Thüringen der Erhalt der bisherigen Regelungen. Etwa durch die Beibehaltung der bisherigen Formulierung oder mit der im Handlungsfeld Förderung der Erziehung in der Familie (§ 16 SGB VIII) gewählten Formulierung, „Mitarbeiter*innen, die eine sozialwissenschaftliche Hochschulbildung vorweisen können. Dies ist insbesondere bei folgenden Abschlüssen erfüllt“. Mit Blick auf die nicht abgeschlossene Aufzählung ist die jetzt alleinstehende Formulierung „ist insbesondere bei folgenden Abschlüssen erfüllt“ nicht passend.
2.3 Handlungsfeld Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung (§§ 17, 18 SGB VIII) und Erziehungsberatung (§ 28 SGB VIII)
Weiter weisen wir darauf hin, dass die Qualifikationsanforderungen im Abschnitt 2.1 „Handlungsfeld Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung (§§ 17, 18 SGB VIII) und Erziehungsberatung (§ 28 SGB VIII)“ nicht vollständig mit den Qualifikationsanforderungen der Fachlichen Empfehlungen für Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen in Thüringen des Landesjugendhilfeausschusses übereinstimmen. Diese gehen nicht davon aus, dass das Fachkräftegebot grundsätzlich mit dem Abschluss in einem Studiengang der Kindheitspädagogik erfüllt ist. Wir empfehlen dringend, diese Vorgaben abzugleichen.
2.4 Handlungsfeld Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (§§ 22-26 SGB VIII)
In der ersten Zeile des zweiten Absatzes des Abschnittes ist eine redaktionelle Änderung notwendig. „ThürKitaG“ muss durch „ThürKigaG“ ersetzt werden.
Die Ausführungen des Abschnittes Kindertageseinrichtungen (Seite 13) erläutern nicht, ob diese „Personen mit anderen fachlichen Qualifikationen“ auf den Betreuungsschlüssel angerechnet werden.
2.5 Handlungsfeld Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfen, Hilfen für junge Volljährige (§§ 27 ff., 35a, 41 SGB VIII)
Im Abschnitt „Einsatz von Fachkräften in betriebserlaubnispflichtigen Einrichtungen“ auf Seite 14 wird der Nachweis bestimmter Kompetenzen von Personen mit nicht eindeutig zuordenbaren Bachelor- oder Masterstudienabschlüssen im sozialwissenschaftlichen Bereich eingefordert. Diese nachweispflichtigen Kompetenzen müssen benannt werden.
Das Absolvieren einer Mindestanzahl an Semestern darf nicht die einzige Voraussetzung zur Zulassung von Studierenden im gleichlautenden Abschnitt (Seite 14) sein. Eine weitere Voraussetzung muss eine Mindestanzahl an erreichten Creditpoints sein. So wird sichergestellt, dass neben der zeitlichen Dimension eines Studiums auch ein Mindestmaß an inhaltlich / fachlicher Auseinandersetzung mit den Studieninhalten erfolgte.