Stellungnahme zur Umsetzung des Landesjugendförderplanes - Erarbeitung von Qualitätsstandards gelingender internationaler Jugendarbeit in Thüringen

von Peter Kießling

Grundsätzliche Anmerkungen

Die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen begrüßt die Formulierung von Qualitätskriterien für Projekte der internationalen Jugendarbeit und empfiehlt insgesamt die Verabschiedung des vorliegenden Entwurfs. Wir möchten die Gelegenheit jedoch auch nutzen, um darauf hinzuweisen, dass die formulierten Kriterien in Umfang und Qualität mit Blick auf die oftmals geringen personellen Ressourcen gerade der lokalen Jugendarbeit sehr hohe und nicht immer einlösbare Ansprüche formulieren.

Wir begrüßen vor diesem Hintergrund ausdrücklich, dass die Qualitätskriterien eine Unterstützung für die Träger bzw. Fachkräfte sein sollen und auf eine „Professionalisierung durch die Fachpraxis“ selbst zielen. Das durch die Qualitätskriterien weder eine „Standardisierung der Praxis verfolgt“ (S.9) wird, noch ein „Instrument zur sozialpolitischen Fremdsteuerung der (Internationalen) Jugendarbeit“ (S.10) etabliert werden soll, bewerten wir ebenfalls positiv.

Wir bedauern zugleich das nicht deutlich genug wird (S.3), dass eine Erreichung aller jungen Menschen durch Angebote der internationalen Jugendarbeit ermöglicht werden kann, indem unmittelbar die internationale Jugendarbeit gestärkt oder Fachkräfte aufgefordert werden, (mit erhöhtem Aufwand) die Qualität der Angebote zu steigern. Die Ergebnisse der Zugangsstudie zeigen vielmehr „die Notwendigkeit der finanziellen Stärkung der lokalen Ebene und ihrer Jugendarbeit“. Durch diese „finanzielle Stärkung und Wertschätzung“ kann dann „das internationale selbstverständlicher Teil von Jugendarbeit“ werden. „Im besten Fall werden mit dieser Perspektive auch die bürokratischen Hürden abgebaut, die bisher zur konkreten Organisation und Finanzierung dieser Aktivitäten als notwendig angesehen werden. Die lokale und kommunale Ebene benötigt aber für eine solche Internationalisierungs-Strategie starke (nicht projektförmige) Unterstützung durch die regionale und bundesweite Ebene“.[1]

Anmerkungen zu einzelnen Punkten

Internationale Jugendarbeit und außerschulische Jugendbildung

Die verschiedenen Bereiche der Jugendarbeit (§11 Abs. 3 SGB VIII) werden unmittelbar mit der außerschulischen Jugendbildung identifiziert (§11 Abs. 3 Nr.1 SGB VIII). So heißt es „in §11 SGB VIII sind die Schwerpunkte der Kinder- und Jugendarbeit als außerschulische Jugendbildung mit eigenständigem Bildungscharakter festgelegt.“ (S.4). Die außerschulische Jugendbildung bildet jedoch nur einen – prominenten - Schwerpunkt der Jugendarbeit und die Internationale Jugendarbeit einen eigenständigen Schwerpunkt (§11 Abs. 3 Nr. 4). Mit dieser Unschärfe geht das Risiko einher, den allgemeinen Bildungscharakter der Jugendarbeit zu sehr mit angebotsinitiierter Bildung zu identifizieren und die Nutzung von Gelegenheitsstrukturen und situativ-anlassbezogenem Handeln für politische Bildung demgegenüber zu vernachlässigen – auch im Rahmen internationaler Jugendbegegnung. Der starke Fokus auf Lernziele und das Programm (S.26-29) unterstreichen diesen Eindruck. Die Anforderungen an Qualifikation und Reflexion der Teamenden mildert ihn aber zugleich etwas ab.

 

Der Beitrag der internationalen Jugendarbeit zur Bekämpfung von Rassismus

Die Vorstellung, dass die „Angebote der internationalen Jugendarbeit für junge Menschen“ vor dem Hintergrund der „große(n) ethnische(n) Homogenität“ – die einen „Nährboden für Rassismus und negative Einstellungen gegenüber Asyl, Migration und Vielfalt“ bilde - „nicht hoch genug eingeschätzt werden können“, erscheint uns fragwürdig. Zum einen wird damit die (Internationale) Jugendarbeit (mal wieder) als Problemlöser präsentiert – und nicht als eine Leistung, die junge Menschen in ihrer Entwicklung unterstützt und auf die alle jungen Menschen einen Anspruch haben. Zum anderen wird dafür kein ausreichender Beleg erbracht. Die angeführte Broschüre der IJAB streicht eher allgemeiner eine „positive Wirkung auf die Persönlichkeitsbildung“ heraus – wie es auch in der Fußnote, korrekter als im eigentlichen Text, heißt. Eine Wirkung im Bereich des interkulturellen Lernens ist zwar nachweißbar – mit Blick auf die weiteren Daten ist aber eher davon auszugehen, dass hier eine interkulturelle Sensibilität verstärkt und nicht ausgeprägte Vorurteile abgebaut werden. Darüber hinaus sind interkulturelles Lernen und antirassistische bzw. rassismuskritische Bildung nicht identisch. Die „Kompetenzgruppe Antirassismus“ bei JUGEND für Europa spricht deswegen auch eher von einer möglichen antirassistischen Bildung im Rahmen internationaler Jugendbildung und davon dass, „es sowohl Überschneidungen als auch Abgrenzungen zum Konzept des interkulturellen Lernens gibt. So haben sich Ansätze und Methoden interkulturellen Lernens lange auf der Ebene eines Verstehens zwischen angeblichen Fremden bewegt. Sie reproduzierten damit ungewollt die Unterscheidungsmuster, derer sich auch ein kultureller Rassismus bedient.“[2]

Die internationale Jugendarbeit ist ein wichtiges und wirksames Angebot der Jugendarbeit und kann für junge Menschen ein unvergessliches Erlebnis zu schaffen. Die Vorstellung, es handele sich um einen zentralen Beitrag zur Bekämpfung von Rassismus, trägt jedoch einen Anspruch an sie heran, den sie weder erfüllen kann, noch ihrer eigentlichen Leistung für junge Menschen gerecht wird.

Herausforderungen der Internationale Jugendarbeit und widersprüchliche Anforderungen

Schade ist es, dass nicht auf vorhandene Herausforderungen des Bereiches eingegangen wird und bei diesen angesetzt wird. Die umfangreiche Liste von Zielen, die mit Qualitätskriterien untersetzt sind, zu denen jeweils Indikatoren und Tipps angegeben werden, hat sicherlich nicht die Absicht, Reflexion zu ersetzen. Die eher technische Aufmachung birgt aber nach unserer Einschätzung dieses Risiko.

Sich häufig ergebende Herausforderungen oder auch Zielkonflikte werden dabei nicht thematisiert. Wir möchten hier nur ein Beispiel herausgreifen: Die Notwendigkeit einer Projektkonzeption im Rahmen der Beantragung vor dem Start der Aktivitäten - die außerdem die Auswahl von Teilnehmer*innen leiten soll - und der Anspruch das Projekt gleichzeitig mit den Teilnehmenden erarbeitet werden soll – was dann praktisch nur im Rahmen der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung vorgesehen ist – stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander. In vielen internationalen Programmen ist es zwar möglich und üblich, Konzepte nachträglich anzupassen, aber das reduziert nicht die Spannung zwischen dem Anspruch einer professionell konzipierten und organisierten Maßnahme, einer Beantragung vor dem Start, der Mitteilung und Bewilligung von Änderungen und einer „weitgehenden Möglichkeit zur Mitgestaltung“ der Maßnahme durch die Teilnehmer*innen (S. 18).

 

[1] Thimmel, Andreas (2018): Zusammenfassung der Ergebnisse der Zugangsstudie & Schlussfolgerungen, Kurzfassung. Öffentliches Manuskript der Abschlusskonferenz „Ergebnisse der Zugangsstudie“ in Köln-Bernsberg am 07. Und 08. Juni 2018, S.16

[2] „Kompetenzgruppe Antirassismus“ bei JUGEND für Europa: Antirassistische Bildung im Rahmen internationaler Jugendarbeit, S.5

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