Christoph Matschie beim Kita-Praktikum: „Die Kinder haben mich gleich mitspielen lassen“ – SPD-Politiker unterstützt Forderungen nach Nachbesserungen im Kita-Gesetz

Jena, 22. August 2017. „Die Kinder haben mich auch gleich mitspielen lassen.“ Christoph Matschie, Ex-Bildungsminister Thüringens, Ex-Vizeministerpräsident, strahlt, als er von seinem Praktikumsvormittag in der Kita „Frechdachse“ in Jena erzählt. „Vor Ort“ macht er sich – wie andere Landespolitiker auch – derzeit ein Bild von den Arbeitsbedingungen in den Thüringer Kitas, die nach Meinung der Wohlfahrtsverbände im Freistaat dringend verbesserungsbedürftig sind. „Qualität hat Vorfahrt“ heißt die Kampagne, in der die Praktika ein Baustein sind. Ein anderer sind 15.000 Postkarten und Flyer, auf denen Eltern die Forderungen der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege unterstützen und die an diesem Mittwoch an Bildungsminister Helmut Holter (Linkspartei), Landtagspräsident Christian Carius (CDU) und den Vorsitzenden des Bildungsausschusses, Manfred Grob (CDU) übergeben.

Christoph Matschie war nach dem Frühstück gekommen, hatte sich mitangehört, wie die Kinder ihr Wochenende verbracht haben, hat mit ihnen in dem wunderschön-großen Freigelände gespielt und das Mittagessen mit ausgereicht. Was es gab? „Kartoffeln, Rührei und Spinat. Die Kinder mochten das – ich auch.“ Matschie, aktuell Bundestagskandidat der SPD im Wahlkreis Jena, hatte zwar anschließend keinen Tischdienst, durfte aber den Kindern dabei assistieren und für saubere Tische sorgen, bevor die Kinder sich schlafen legten.

„Es ist eine anspruchsvolle Arbeit, die die Erzieherinnen und Erzieher in Thüringen leisten“, sagte Matschie unter Hinweis darauf, dass der Tag in der Kita „Frechdachse“ nicht sein erstes Praktikum gewesen sei. Der Paritätische Thüringen hatte das Praktikum organisiert. Und in der Kita wurde er auch gleich mit den Problemen konfrontiert, mit denen sich vor allem Kita-Leiterin Petra Rauschenbach und ihr Team jeden Tag auseinanderzusetzen haben. „Heute sind 20 Prozent unseres Personals entweder krank oder im Urlaub“, berichtete sie. Laut gesetzlichem Personalschlüssel ist aber nur eine Fehlquote von 15 Prozent einkalkuliert. Die restlichen Ausfallzeiten müssen die Erzieherinnen anderweitig kompensieren. Daher fordert die LIGA vom Landtag eine deutliche Nachbesserung der Rahmenbedingungen auch in diesem Bereich.

Das ist eines der Probleme, die die Eltern und Erzieherinnen in Thüringen derzeit stark bewegt. Im anschließenden Fachgespräch mit den Vertretern der Einrichtung und anderen Trägern sagte Matschie zu, sich für die Anhebung des Betreuungsschlüssels bei den anstehenden Verhandlungen im Landtag einsetzen zu wollen. Insbesondere sei sein Ziel, einen Einstieg in die kontinuierliche Anhebung des Betreuungsschlüssels zu finden. Laut wissenschaftlichen Studien stagniert die Qualität der Betreuung in Thüringen, weil etwa 8000 Fachkräfte fehlen.

In einem ersten Schritt will Matschie durchsetzen, dass der Personalschlüssel bei den 3 bis 6-Jährigen von derzeit 1:16 auf erst einmal 1:14 und dann 1:12 angehoben werde. Ob es ihm und den anderen Bildungspolitikern gelingt, den von den Eltern und Sozialverbänden verlangten Stufenplan verbindlich schon jetzt im Gesetz zu verankern, konnte er nicht zusichern. „Mein Wunsch ist es, ich werde mich auch dafür einsetzen“, so Matschie. Allerdings verwies er auf die Begehrlichkeiten auch aus anderen Politikbereichen, zwischen denen ein Ausgleich gefunden werden könne. Matschie nannte als Beispiele den Straßenbau, die innere Sicherheit oder auch die Personalsorgen an den Thüringer Schulen.

Die anwesenden Vertreterinnen und Vertreter von Eltern, Erzieherinnen und Trägern vermochte das nicht zu überzeugen. Sie verlangten sofortige Verbesserungen, um die Überbelastung des Personals rasch zu reduzieren.

„Frechdachs“-Leiterin Petra Rauschenbach entgegnete: „Finanzielle Mittel hin oder her. Was man heute in Kinderbetreuung steckt, bekommen wir später wieder.“ Wichtig sei vor allem Berechenbarkeit und Verlässlichkeit. Sie verwies darauf, dass die Zahl der Kinder in den Einrichtungen, die einer intensiveren Betreuung bedürfen, immer größer werde. Und das führe zu weiteren Problemen: Zwischen der Aufnahme des Kindes und dem Zeitpunkt, ab dem die zusätzliche Betreuung auch von der öffentlichen Hand ­gegenfinanziert wird, könnten schon mal drei Monate vergehen. Wenn überhaupt eine neue Erzieherin gefunden werde. Denn auch das Problem der langen Ausbildungszeit von fünf Jahren steht schnellen Verbesserungen im Weg, so die Vertreter der Träger.

„Der vorliegende Gesetzentwurf wird den Anforderungen beim Personalschlüssel und in weiteren Punkten nicht gerecht“, sagte Steffen Richter, Referent für Kinder- und Jugendhilfe und beim ­Paritätischen. Dazu gehöre, dass bei größeren Einrichtungen der Kindergartenleiterin mehr Zeit zur Ausübung ihrer Funktion gelassen werden müsse. Er plädierte dafür, die Kita-Gesetzesnovelle zu nutzen, um Verbesserungen in vielen Bereichen verbindlich festzuschreiben und so ein Gesamtpaket zu schnüren.

Die Proteste der Eltern und Erzieherinnen in Verbindung mit der Aktion der LIGA hat in den vergangenen Monaten viel in Bewegung gebracht und auch den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit auf die Probleme in den Thüringer Kitas gerichtet. Jetzt sind die Politikerinnen und Politiker im Landtag am Zug. Am Mittwoch findet eine Anhörung des Bildungsausschusses statt, danach geht es in die Beratungen über Nachbesserungen am Gesetzentwurf. Dass dabei die Betroffenen und ihre Interessenvertreter in den Wohlfahrtsverbänden der Politik genau auf die Finger schauen werden – auch diese Gewissheit nahm Christoph Matschie von diesem Praktikumstag in Jena mit.

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