Der Landesrahmenvertrag des Freistaates Thüringen nach § 131 Abs. 1 SGB IX

Leistungsberechtigte

Zum 1. Januar 2020 trat die dritte Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) in Kraft.

Die Leistungen der Eingliederungshilfe wurden aus dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) herausgelöst und in das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) überführt. Es erfolgte die Trennung der existenzsichernden Leistungen, wie Verpflegung und Unterkunft, von den Leistungen der Eingliederungshilfe, insbesondere den Assistenz-/ Fachleistungen. Die Trennung der Leistung stellt einen komplexen Systemwechsel in der bisherigen Eingliederungshilfe dar. In den einzelnen Bundesländern wurden Landesrahmenverträge abgeschlossen, die die zukünftige Ausgestaltung der Eingliederungshilfeleistungen beschreiben.

Auch in Thüringen wurde ein Landesrahmenvertrag verabschiedet. Dieser beinhaltet eine Übergangsphase bis zum 31.12.2022. Auf dieser Website können Sie sich über die Inhalte des Landesrahmenvertrags Thüringen nach § 131 Abs. 1 SGB IX informieren.

Sie erhalten folgende Informationen über die verschiedenen Leistungsformen der Eingliederungshilfe:

  • Wo sind die Leistungsformen im Landesrahmenvertrag Thüringen nach § 131 Abs. 1 SGB IX zu finden?
  • Was bedeuten die Regelungen für Leistungsberechtigte?
  • Welche Handlungsbedarfe ergeben sich für Sie?

Der Landesrahmenvertrag Thüringen liegt zurzeit noch nicht in Leichter Sprache vor.

Exkurs Integrierter Teilhabeplan Thüringen (ITP)

Der Integrierte Teilhabeplan Thüringen (kurz: ITP) ist ein Bedarfsermittlungsinstrument zur Feststellung von Hilfebedarfen von Menschen mit Behinderungen.

Bei der Bedarfsermittlung wird gemeinsam überlegt: Welche Unterstützung braucht der Mensch mit Behinderung im Alltag?

Ziel ist es, dass die Menschen mit Behinderung so selbstbestimmt wie möglich leben können. Grundlage hierfür sind die persönliche Zielsetzung, persönliche Ressourcen und Beeinträchtigungen des Menschen. Diese werden im ITP Thüringen gemeinsam mit dem Menschen mit Behinderung erfasst.

Der ITP unterstützt damit den Prozess des Wandels in der Eingliederungshilfe zu einer personenzentrierten und individuellen Hilfe.

Weiterführende Informationen zum Integrierten Teilhabeplan, ITP-Bögen sowie Hilfestellungen beim Ausfüllen der ITP-Bögen erhalten Sie auf den Seiten des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (TMASGFF) unter https://www.tmasgff.de/soziales/menschen-mit-behinderungen

Exkurs Abschluss von Vereinbarungen

Seit 1.7.2020 müssen die Entgeltvereinbarungen mit dem Thüringer Landesverwaltungsamt (TLVWA) abgeschlossen werden (als Überörtlicher Träger der Eingliederungshilfe). Das Landesverwaltungsamt muss sich mit dem Örtlichen Träger der Eingliederungshilfe abstimmen. Auch die Grundlagen für diese Vereinbarungen haben sich (formal) nicht geändert (Anm: es ist aber zu vermuten, dass die Leistungsträger künftig auch hier das Kalkulationsschema für die Komplexleistung, ggf. modifiziert, anwenden wollen).

Personenzentrierte Komplexleistung (PKL)
  • Wo steht es? Präambel, konkreter in §§ 4 bis 12
  • Was ist das? Die PKL ist eine neue Leistungsform, die es in dieser Form derzeit nur in Thüringen gibt. Sie wurde im Landesrahmenvertrag als neue zukunftsweisende Leistungsform benannt. In der Unterscheidung zu bisherigen ambulant erbrachten Leistungen soll die PKL den Bedarfen von allen Menschen mit Behinderung flexibler und dynamischer Rechnung tragen und neben der bisher vorrangig professionellen Hilfe auch andere Unterstützungsmöglichkeiten im Umfeld des Leistungsberechtigten (z. B. Ehrenamtliche, Nachbarn …) einbeziehen.
  • Die Unterstützung im Rahmen der PKL erfolgt unabhängig vom Ort der Leistungserbringung. Sie kann z. B. in den Wohnräumen der Klient*innen, im Quartier oder auch innerhalb von Trägerstrukturen erfolgen. Sie soll an jedem Ort, an 24 Stunden und 365 Tagen im Jahr aufgrund einer prospektiven, wirkungsorientierten Einschätzung des notwendigen Leistungsumfanges möglich sein.
  • Beteiligung: Grundlage des inhaltlichen und zeitlichen Umfangs der PKL ist der Integrierte Teilhabeplan Thüringen (kurz: ITP), in dem die individuellen Ziele und Wünsche des Leistungsberechtigten und die konkreten Bedarfe zur Erreichung dieser Ziele/Wünsche gemeinsam mit dem Leistungsträger im Rahmen des Teilhabeplans/Gesamtplans erarbeitet werden.
Besondere Wohnformen (ehemals Wohnstätte, stationäre Wohneinrichtungen)
  • Wo steht es? §§ 14 bis 23
  • Was ist das? „Besondere Wohnformen“ ist ein neuer Begriff, der durch das Bundesteilhabegesetz eingeführt wurde. Gemeint sind die bisherigen stationären Angebote, also Wohnheime für Menschen mit Behinderungen.
  • Warum unter „Andere Leistungsformen“ Besondere Wohnformen sind in Teil III des Landesrahmenvertrages geregelt. Die Überschrift dieses Kapitels lautet „Andere Leistungsformen“. Die Überschrift soll ausdrücken, dass ab 2022 möglichst alle Leistungen über die Personenzentrierte Komplexleistung (siehe oben) erbracht werden sollen – soweit das möglich ist.
  • Sollen besondere Wohnformen dann abgeschafft werden? Nein, es wird auch nach 2022 noch Besondere Wohnformen (also Wohnheime) geben. Es kann aber sein, dass es dann weniger Wohnheime geben wird als bisher. Der Landesrahmenvertrag verpflichtet die Träger der Wohnheime bis Ende 2022 zu prüfen, welche Angebote künftig als Personenzentrierte Komplexleistung erbracht werden können und welche weiterhin Wohnheim bleiben können (§ 14 Abs. 4). Das Ziel ist, dass künftig mehr Menschen mit Behinderungen ambulante Unterstützung erhalten.
  • Mehrbedarfsregelung (§ 17 Abs. 8) Manche Menschen mit Behinderungen, die in besonderen Wohnformen leben, haben einen besonders großen Unterstützungsbedarf. Der Landesrahmenvertrag sagt, dass für diese Menschen auch weiterhin Zusatzvereinbarungen abgeschlossen werden können, wenn die Besondere Wohnform diesen hohen Unterstützungsbedarf nicht abdecken kann. Voraussetzung ist außerdem die individuelle Prüfung durch ein Gesamtplanverfahren.
  • Trennung von Fachleistung und existenzsichernden Leistungen (Kosten für Unterkunft und Lebensunterhalt). Menschen mit Behinderungen haben einen Anspruch auf Eingliederungshilfe. Bis 2019 erhielten die Träger für die Bewohner EIN Entgelt. Es enthielt die Kosten für die Fachleistung (z.B. pädagogische Unterstützung), die Kosten für das Gebäude und die Kosten für die Lebensmittel. Durch das Bundesteilhabegesetz erhält der Träger seit dem 01.01.2020 nur noch die Kosten für die Fachleistung vom Träger der Eingliederungshilfe. Die Kosten für die Unterkunft und Lebensunterhalt erhält er vom Bewohner. Der wiederum erhält das Geld dafür vom Sozialamt. Durch dieses neue Verfahren mussten die bisherigen Entgelte der Träger in Fachleistungen und existenzsichernde Leistungen aufgeteilt werden. Dies regelt der Landesrahmenvertrag im § 14 und in der Anlage 5.
  • Durch das neue Verfahren, müssen Menschen mit Behinderungen einige neue Anträge stellen. Außerdem müssen die Wohn- und Betreuungsverträge geändert werden. Genauere Informationen, was zu tun ist, finden sich hier:
Förderbereiche und Tagesstätten
  • Wo steht es? § 14
  • Was ist das? Die Tagesstätte ist eine teilstationäre Einrichtung für erwachsene Menschen mit einer seelischen Erkrankung oder einer Suchterkrankung im Sinne des § 53 SGB XII. Die Tagesstätte bietet psychisch kranken Erwachsenen ein Angebot, für die eine ambulante Betreuung allein nicht ausreicht und die den Anforderungen an einem Arbeitsplatz oder einer Werkstatt für behinderte Menschen noch nicht oder nicht mehr gewachsen sind. Sie soll die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen. Vorrangig alltagspraktische Fähigkeiten werden im sozialen Kontakt mit Anderen wiedererlangt und gefördert. Die Betreuung und Förderung ist abgestimmt auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der einzelnen Teilnehmer*innen. In der Regel gibt es dieses Angebot Montag-Freitag.
  • Förderbereiche werden überwiegend für Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung angeboten. Die Förderbereiche sind Lern-, Beschäftigungs- und Betreuungsbereiche meist angeschlossen an eine Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. Sie müssen es den Menschen mit Behinderung ermöglichen, ihre Persönlichkeit zu entwickeln und leisten einen grundlegenden Beitrag zur individuellen Eingliederung und Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft, indem sie – anknüpfend am Entwicklungsstand des Einzelnen - dessen lebenspraktische, soziale, emotionale, psychomotorische und geistige Kompetenzen mit dem Ziel der Eingliederung in die Arbeitswelt systematisch fördern. Häufig sind ergänzend pflegerische Unterstützungsleistungen damit verbunden.
  • Finanzierung: Durch das neue BTHG musste auch die Finanzierung dieser Angebote neu geregelt werden. Eine Besonderheit hier ist, dass die Kosten für das Mittagessen – außer bei Selbstzahlern – beim örtlichen Sozialamt als Mehrbedarf beantragt werden muss.
Wohnheim für Kinder- und Jugendliche
  • Wo steht es? § 24 Landesrahmenvertrag, § 131 Absatz 1 SGB IX
  • Was ist das? Für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen oder Kinder und Jugendliche, die von solchen Behinderungen bedroht sind, werden spezielle Wohnangebote vorgehalten, wenn sie aufgrund der Schwere der Behinderung nicht zuhause bei den Erziehungsberechtigten wohnen können. Wohnangebote sind so gestaltet, dass alltägliche familienähnliche Lebenssituationen entstehen können.
  • Die Voraussetzungen für Wohnheime für Kinder und Jugendliche haben sich durch den Landesrahmenvertrag nicht geändert. Maßgeblich für die Förderung ist der vom Träger der Eingliederungshilfe erarbeitete Gesamtplan nach § 117 des SGB IX.
Integrative Kindertagesstätte (Kita) / Einzelintegration in Regelkitas
  • Wo steht es? Kinder, die im Sinne des SGB VIII und des SGB XII behindert oder von Behinderung bedroht sind und daher einen besonderen Förderbedarf haben, werden grundsätzlich gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung inklusiv gefördert.
  • Was ist das? Ein integrativer Kindergarten folgt dem Prinzip der Inklusion. Für den integrativen Kindergarten bedeutet dies, dass in ihm Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam betreut und gefördert werden.
  • Die Förderung erfolgt gemeinsam in der Kindertagesstätte, wenn dies möglich ist. Grundlage ist die Vereinbarung nach §125 des SGB IX. Maßgeblich für die besondere Förderung ist der vom Träger der Eingliederungshilfe erarbeitete Gesamtplan nach § 117 des SGB IX. Daran ist der Örtlicher Träger der Eingliederungshilfe mit den Eltern des behinderten oder von Behinderung bedrohten Kindes. Bei Bedarf kommen noch behandelnde Ärzte, das Gesundheitsamt und das Jugendamt dazu. Es werden aber neue Antragsverfahren und Bedarfsfeststellungsverfahren für die Kinder bzw. Eltern festgelegt.
Schulbegleiter / Integrationshelfer
  • Wo steht es? § 24 Landesrahmenvertrag, § 131 Absatz 1 SGB IX
  • Was ist das? Schulbegleiter oder Integrationshelfer fordern und fördern Kinder mit einer Behinderung im schulischen Alltag.
  • Die Voraussetzungen für Schulbegleiter / Integrationshelfer haben sich durch den Landesrahmenvertrag nicht geändert. Maßgeblich für die Förderung ist der vom Träger der Eingliederungshilfe erarbeitete Gesamtplan nach § 117 des SGB IX. Es handelt sich hierbei um eine sogenannte ergänzende Leistung. Wenn die Schule nämlich keine ausreichende Hilfe anbieten kann, wird ein Gesamtplan eingeleitet.
Frühförderung
  • Wo steht es? § 24
  • Was ist das? Die heilpädagogische Frühförderung unterstützt Kinder, die aufgrund ihrer körperlichen, seelischen oder sozialen Fähigkeiten in besonderer Art und Weise in ihrer Entwicklung gefördert werden müssen.
  • Heilpädagogische Frühförderung: Die Voraussetzungen für Kinder um heilpädagogische Frühförderung zu erhalten, haben sich durch den Landesrahmenvertrag nicht geändert.
  • Heilpädagogische Komplexleistung: Für heilpädagogische Leistungen im Rahmen einer Komplexleistung ist ab dem 1.12.2020 die Landesrahmenvereinbarung nach § 46 SGB IX über die Leistungen von Interdisziplinären Frühförderstellen maßgeblich. Hier werden neue Antragsverfahren und Bedarfsfeststellungsverfahren für die Kinder bzw. Eltern festgelegt.
  • Auch für die Vergütungsvereinbarungen sind neue Finanzierungsgrundlagen geschaffen.
Ambulant Betreutes Wohnen (ABW) / ambulante Angebote
  • Wo steht es? § 25
  • Was ist das? Die Ambulante Eingliederungshilfe beinhaltet all jene Leistungen für Menschen mit körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung, die außerhalb stationärer Einrichtungen erbracht werden, wie beispielsweise Ambulant-Betreutes-Wohnen, Familienpflege, Schulbegleitung und vieles mehr. Das heißt, der Fachdienst kommt zu dem einzelnen Menschen mit Behinderung.
  • Diese Angebote sollen für eine Übergangszeit bis 31.12.2022 fortbestehen und spätestens dann in die Personenzentrierte Komplexleistung überführt werden.
  • Was bedeutet das für Leistungsberechtigte? Für Leistungsberechtigte ändert sich erst mal nichts.
Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM)
  • Wo steht es? § 27 Landesrahmenvertrag, § 131 Abs. 1 des SGB IX
  • Was ist das? Aufgabe der Werkstatt ist es, eine angemessene berufliche Bildung zu vermitteln. Sie soll eine Beschäftigung bieten und den Übergang zum allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen.
  • Die Voraussetzungen haben sich durch den Landesrahmenvertrag nicht geändert.
  • Damit verbunden ist eine Trennung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe von den existenzsichernden Leistungen zum Lebensunterhalt. Aus diesem Grund ändert sich die Finanzierung für das Mittagessen ab 2020.
  • Die Lebensmittelkosten des Mittagessens gehören zu den existenzsichernden Leistungen. Sie müssen künftig von allen Werkstattbeschäftigten selbst bezahlt werden, wenn sie Essen einnehmen. Dafür bekommen Sie einen Mehrbedarf. Wenn Sie Grundsicherung nach dem SGB XII bekommen, bekommen Sie Essen unentgeltlich. Alle anderen Werkstattbeschäftigten (die keine Grundsicherung nach dem SGB XII beziehen) müssen selbst für das Mittagessen aufkommen.
Andere Leistungsanbieter

Andere Leistungsanbieter