Schuldneratlas 2021: Rückgang der Überschuldung – Freuen wir uns zu früh darüber?
von Peter Kießling
6,16 Mio Bürger und Bürgerinnen sind überschuldet, das betrifft rund 3 Mio Haushalte in Deutschland. Allerdings konnte trotz der Corona-Krise ein Rückgang der Zahl überschuldeter Verbraucher*innen um 700.000 verzeichnet werden. Die Abnahme betrifft „harte“ und „weiche“ Überschuldungsmerkmale gleichermaßen, wobei sich diese bei den einzelnen Altersgruppen unterscheiden. Die Überschuldungsquote sinkt damit auf 8,86 %. Ein Rückgang ist vor allem bei den unter 30jährigen zu verzeichnen, aber auch alle weiteren Altersgruppen, bis auf die Rentner im Alter zwischen 60 und 69 Jahren, verzeichnen Rückgänge. Bei der Altersgruppe der 60-69jährigen steigen die Zahlen aufgrund harter Überschuldungsmerkmale. Die über 70jährigen weisen zwar einen vergleichsweise niedrigen Prozentsatz Überschuldeter auf, allerdings ist dies die Gruppe mit dem dramatischsten Anstieg der letzten Jahre (+278 % seit 2013). Bei den Familien weisen Alleinerziehende eine besonders hohe Überschuldungsbetroffenheit auf.
In Thüringen haben sich die Zahlen ebenfalls positiv entwickelt, wobei die Überschuldungsquote von 9,14% auf 8,32% sinkt. Thüringen ist damit wiederholt, hinter Bayern und Baden-Württemberg, das Bundesland mit der geringsten Überschuldungsquote.
Den kompletten Schuldneratlas finden Sie hier:
https://www.boniversum.de/wp-content/uploads/2021/11/CR-S-Atlas-DEU-2021-Bericht.pdf
Tabellarische Übersicht der wesentlichen Inhalte des Schuldneratlas
Überschuldete insgesamt | 6,16 Mio. Über-18-Jährige (darunter zählen 2,4 Mio. Frauen, 3,76 Mio. Männer, insgesamt sind das 3,42 Mio. Haushalte) |
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Überschuldungsquote | 8,86 % |
Schuldenvolumen | 178 Mrd. Euro |
Schuldenhöhe pro Person | 28.900 Euro im Durchschnitt (29.500 im Jahr 2020) |
Der Auslöser Längerfristiges Niedrigeinkommen erfährt Zuwachs in der Statistik, als einziger der möglichen Indikatoren zur Überschuldung. Bei allen anderen Überschuldungsfaktoren sinken die Zahlen. Auch das Schuldenvolumen sinkt, im Langzeitvergleich von durchschnittlich 36.900 € im Jahr 2006 auf 28.900 € im Jahr 2021. Die Zahl der überschuldeten Verbraucher*innen ist in fast allen Städten und Kreisen sowie Landkreisen zurückgegangen. Dass die Zahl der Verbraucherinsolvenzen so stark angestiegen ist, liegt an der Gesetzesänderung im Dezember 2020, die eine Verkürzung der Restschuldbefreiung auf drei Jahre beinhaltet. Hier erfolgt zur Zeit noch die Aufarbeitung bis dahin nicht bearbeiteter Fälle.
Das Corona-Paradoxon
Der Rückgang der Überschuldung wirkt in erster Linie paradox zur eigentlich schwierigen Situation während der Corona-Krise, aber die staatlichen Unterstützungen pufferten die Folgen etwas ab. Überbrückungsgelder, Kurzarbeitergeld und weitere finanzielle Hilfen boten einerseits Unterstützung, wenn auch insbesondere Kleinstunternehmen, Freiberufler, Soloselbständige und Geringverdiener besonders durch Einkommensausfälle betroffen waren und sind. Andererseits bestand bei den Menschen eine größere Ausgabenvorsicht und Konsumzurückhaltung, bedingt auch dadurch, dass es an vielen Stellen und über längere Zeit weniger Konsummöglichkeiten gab.
Daneben stiegen die Sparquote und die Ersparnisse an. Die Menschen wollen damit „auf Nummer sicher gehen“, falls es zu weiteren schwerwiegenden Einschnitten im Einkommen kommt. Die Verunsicherung der Verbraucher*innen ist groß.
Prognostiziert wird allerdings eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage für die Verbraucher*innen. Die negativen Folgen werden mit großer Wahrscheinlichkeit zeitverzögert in Erscheinung treten, so wie es zur Zeit der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 der Fall war. Es existieren immer noch – Pandemiebedingt - Einkommenseinbußen bei vielen Haushalten, was sich wie folgt begründen lässt:
- Der Arbeitsmarkt befindet sich immer noch in einer angespannten Lage. Kurzarbeit besteht weiterhin in vielen Bereichen, die Zahl Langzeitarbeitsloser ist zwischen März 2020 und September 2021 um 45 % gestiegen.
- Studien verschiedener Institutionen ergaben, dass sich der finanzielle Stress infolge der Pandemie für viele Menschen erhöht hat und dass diesbezüglich teilweise kein Ende absehbar ist.
Die Auswirkungen der Corona-Krise bleiben weiterhin sichtbar! Auch zukünftig wird es im Bereich der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung viel zu tun geben.