Bericht zum Fachtag des PNFK 2022 in Berlin
von Sebastian Rothe
Unter dem Titel Wirtschaften in schwierigen Zeiten trafen sich am 25. November rund 70 Personen aus dem Bereich Finanzen und finanzielle Bildung. Thema des Fachtags war unter anderem die von der OECD empfohlene nationale Strategie zur finanziellen Bildung, die bisher in Deutschland nicht umgesetzt wurde. Darüber wie finanzielle Bildung aussehen muss, gibt es verschiedene Ansichten, die bisweilen weit auseinander gehen.
Das Präventionsnetzwerk Finanzkompetenz engagiert sich für Finanzkompetenz, die Grundlagen für finanzielle Entscheidungen beinhaltet. Außerdem steht ein starker Verbraucherschutz im Mittelpunkt. Andere Stimmen werben für mehr Eigenverantwortung, gerade im Bereich Altersvorsorge. Die Schule als Ort für die Vermittlung von Finanzkompetenz scheint ungeeignet und so treten private Anbieter*innen auf den Plan. Grundlagen wie der Haushaltsplan dürfen dabei nicht in den Hintergrund geraten bzw. die „Vermarktung“ von Finanzprodukten im Vordergrund stehen.
In den verschiedenen Beiträgen wurden die aktuellen finanziellen Herausforderungen, ausgelöst durch die „multiplen Krisen“ (Corona, Krieg in der Ukraine, Inflation), aufgezeigt. Insbesondere Menschen mit geringem Einkommen und oft nicht vorhandenem Vermögen sind von explodierenden Energiekosten, steigenden Kreditzinsen und der generellen Inflation betroffen.
Prof. Dr. Carmela Aprea von der Uni Mannheim hat mit Ihrer Schock-Co-Studie bereits im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie auf die prekäre finanzielle Lage von Frauen und Menschen mit Kindern (besonders Alleinerziehende) hingewiesen. Auch in der sich anschließenden Krise rund um explodierende Energiepreise ist davon auszugehen, dass diese Gruppe stärker von finanziellen Verlusten betroffen ist, Vermögen verbrauchen, Ausgaben reduzieren und Kredite sowie die Aufschiebung von Zahlungen in Anspruch nehmen muss. Eine weitere Erhebungsphase, für die noch keine Finanzierung gesichert ist, soll die Auswirkungen der Post-Corona-Krise ermitteln.
In weiteren Beiträgen von Stefanie Zahrte (Sparkasse Beratungsdienst Geld und Haushalt), Nicolas Mantseris (Caritas im Norden) und Ahn-Van Tran (LAG SIB) zeigten sich weitere Problemlagen in Bezug auf den Umgang mit Geld bzw. finanzieller Bildung. So leiden ärmere Familien nicht nur unter der finanziellen Belastung, dort wird auch weniger über Geld gesprochen und die Gelderziehung erfolgt oft reaktiv, also erst, wenn das „Kind in den Brunnen gefallen ist“. Finanzielle Themen sind häufiger konfliktbehaftet und enden in dysfunktionalen Kompromissen: „Wenn du dir das Auto kaufst, darf ich mir auch den teuren Urlaub gönnen.“ Auch werden verstärkt Pfandhäuser in Anspruch genommen. Denn sobald Kredit und Dispo keine Optionen mehr sind, können hier das Handy oder der Ehering kurzfristig helfen finanzielle Engpässe überbrücken. Schließlich kommen selbst die Beratungsstellen an ihre Grenzen, wenn Haushalts- und Ratenpläne aufgrund der anhaltenden Inflation nicht mehr längerfristig funktionieren.
Mit Blick auf die Entwicklung einer nationales Strategie für finanzielle oder ökonomische Bildung ist es also dringend geboten die sozialarbeiterische Sichtweise und jahrzehntelange Erfahrung aus Bereichen wie der Schuldnerberatung in die Dialoge einfließen zu lassen. Das ist wichtig, um insbesondere vulnerable Zielgruppen mit den für sie relevanten Themen zu erreichen.