Stellungnahme zum Entwurf der Thüringer Schulordnung für die Gesundheitsfachberufe, die Pflegeberufe und die Fachkraft für die Hygieneüberwachung

von Peter Kießling

Im Folgenden werden die aus unserer Sicht notwendigen Anpassungsbedarfe, Rückfragen und Ergänzungen der Entwurfsfassung des o.g. Schulordnungsentwurfs erläutert.

Zu § 36 Abs. 1 Ausbildungsbeginn und Anrechnung von Vorausbildungen

„Der Ausbildungsbeginn ist jeweils der 1. August. Ein abweichender Ausbildungsbeginn ist durch Festlegung des für das Bildungswesen zuständigen Ministeriums in Abstimmung mit dem Thüringer Landesverwaltungsamt möglich.“

  • Die LIGA Thüringen weist darauf hin, dass der Schulbeginn in der Pflegeausbildung bisher auf dem 1. September des Jahres liegt und es mit Inkraftsetzen der neuen Schulordnung hierzu einen Erlass o.ä. des TMBJS geben müsste, um ggf. die Abläufe langfristig anzupassen.

Zu § 37

Durch die gewählte Formulierung wird den Schulen eine Kontroll- und Prüfverantwortung zugewiesen. Eine Prüfung durch die Schulen, ob die praktische Ausbildung den Anforderungen der Berufsgesetze, der Ausbildungs- und Prüfverordnungen sowie der Thüringer Lehrpläne entspricht, wird von der LIGA Thüringen abgelehnt. Eine solche Prüfung nebst möglichen Sanktionen obliegt ausschließlich dem Thüringer Landesverwaltungsamt und nicht der Schule. So wird sichergestellt, dass diese Prüfungen vergleichbar und unabhängig erfolgen.  Die Schule kann hierbei unterstützen.

Zu § 39 Abs. 1

„[…] Die Schule ist verpflichtet, eine angemessene Praxisbegleitung zu gewährleisten; dabei ist die Schülerin oder der Schüler durch die praxisbegleitende Lehrkraft fachlich zu betreuen und zu bewerten […]“

  • Der Aspekt der Angemessenheit muss konkretisiert werden, da nicht deutlich wird, was in diesem Zusammenhang darunter zu verstehen ist. Unter anderem sind der zeitliche Umfang und die Inhalte zu beschreiben.
  • Die praxisbegleitende Lehrkraft muss ebenfalls fachlich betreuen. Dabei gilt es sicherzustellen, dass die praxisbegleitende Lehrkraft selbst ausreichend fachlich betreut wird und über die entsprechenden beruflichen Kompetenzen verfügt.

Zu § 39 Abs. 2

Hier ist geregelt, dass der/die Schüler*in einem schriftlichen Praktikumsauftrag mit dem Träger der praktischen Ausbildung schließt. Dies ist unzutreffend. Entweder muss der Träger der praktischen Ausbildung oder die Schule (wenn diese Verträge mit Aufgabenübertrag geschlossen hat) Verträge zur Sicherung der Pflichteinsätze schließen allerdings nicht die Schüler*in selbst.

Weiter ist in der Begründung zur Thüringer Schulordnung für die Gesundheitsfachberufe, die Pflegeberufe und die Fachkraft für die Hygieneüberwachung zu § 39 angemerkt:

„Die Praxisbegleitung erfolgt realitätsnah unter Einbeziehung der praktischen Ausbildungsinhalte. Grundsätzlich sind Lehrkräfte der Schule einzusetzen.“

  • Hier ist eine genauere Beschreibung des Begriffes „realitätsnah“ notwendig.

Zu § 41 Abs. 2

„[…] Weitere Aufnahmevoraussetzungen sind […]

3. die für die Berufsausbildung erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache, die dem Sprachniveau der Stufe B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen entsprechen sollen.“

im Zusammenhang mit § 42

„Bewerberinnen und Bewerber mit ausländischen Bildungsnachweisen können aufgenommen werden, wenn die Gleichwertigkeit ihrer bisherigen Ausbildung mit der als Aufnahmevoraussetzung geforderten Vorbildung gewährleistet ist und sie die deutsche Sprache soweit beherrschen, dass sie dem Unterricht folgen können.“

  • Nach Ansicht der LIGA Thüringen führt die Formulierung zum Beherrschen der deutschen Sprache in § 42 zwangsläufig auf den § 41 zurück und damit zur B2-Regelung zur Aufnahme der Ausbildung.

Dies hält die LIGA Thüringen nicht für zielführend, wenn es um die Aufnahme ausländischer Auszubildender in deutsche Bildungsgänge geht. Zahlreiche Erfahrungen haben gezeigt, dass die Sprachausbildung Deutsch ein wesentlicher Gelingensfaktor für eine für allen Seiten zufriedenstellende Ausbildung ist. Diese Position ist auch aus Sicht der LIGA Thüringen unbestritten. Unter diesem Vorzeichen ist es richtig, das Ziel zu verfolgen, das Sprachlevel der einzelnen Auszubildenden möglichst von vornherein bzw. mittels passgenauer ausbildungsbegleitender Angebote so bald als möglich zu heben. Was mittlerweile deutlich wird, ist, dass das B2-Level häufig nicht im Heimatland zertifiziert erreicht werden kann.

Gespräche mit den Expert*innen der „IQ Servicestelle Sprache“ bestätigen, dass dieses Bildungssprachniveau in der Regel erst unter Muttersprachlern durch permanenten Gebrauch wirklich erreicht werden kann. Die Erfahrungen zeigen, dass es sinnvoll ist, im Heimatland und durch zeitlich und auch finanziell leistbare Vorschaltmaßnehmen auch nach der Einreise entsprechende Deutschkurse zu beginnen.

Dennoch gehen zahlreiche Ausbildungswillige mit der geltenden Anforderung z.B. für die Pflegebranche in Thüringen verloren, wenn sie bereits mit Start der Ausbildung über ein entsprechend zertifizierte B2-Level verfügen müssen.

Hier divergieren Wunsch und Wirklichkeit und es ist geboten, mit Augenmaß Regelungen zu finden, die diesem Umstand gerecht werden und somit die Ausbildung junger Menschen aus dem Ausland u.a. in der Thüringer Pflegebranche befördern.

Thüringen befindet sich hier auch in einem Wettbewerb zu anderen Bundesländern, in welchen

der Zugang niederschwelliger gehandhabt wird. Eine Regelung, dass das Sprachlevel B2 zum Ende des ersten Ausbildungsjahres nachgewiesen werden muss, ist aus Sicht der LIGA Thüringen ein Kompromiss. Die LIGA Thüringen stimmt zu, dass die Ausbildungsinteressenten bereits vor dem Start der Ausbildung in einem entsprechenden B2 Sprachkurs lernen bzw. ihn begonnen haben sollten – ob im Heimatland oder durch eine Vorschaltmaßnahme nach der Einreise. Außerdem bittet die LIGA Thüringen darum, weitere andere Prüfungsmöglichkeiten ähnlich denen, die aktuell pandemiebedingt als Sprachprüfungen erlaubt werden, zuzulassen.

Zu § 45 S. 1

Während der praktischen Ausbildung erstellen die an der Ausbildung beteiligten Einrichtungen qualifizierte Leistungseinschätzungen und die Praxisbegleiter bewerten die praktischen Leistungen der Schülerinnen und Schüler durch Noten.

Mit dieser Norm wird in die Regelungshoheit der Träger der praktischen Ausbildung eingegriffen. Die Regelungen einer Schulordnung sollten sich auf die theoretische Ausbildung beschränken. Unabhängig davon sind für die Träger der praktischen Ausbildung bereits in den bundesgesetzlichen Regelungen der Ausbildung entsprechende Ausführungen aufgenommen.

Zu § 58

Durch die Formulierung „Lehrkraft“ wird nicht deutlich, welche fachliche Qualifikation notwendig ist. Aus unserer Sicht ist die Formulierung aus der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe (Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung - PflAPrV) zielführend.

„(7) Die Prüfung zur praktischen Aufgabenstellung und das Prüfungsgespräch werden von einer Lehrkraft der Schule, die die Schülerinnen und Schüler während der praktischen Ausbildung fachlich begleitet, […] abgenommen.“

  • Dies setzt voraus, dass diese „Lehrkraft“ über pflegefachliche Kompetenzen verfügt. Demzufolge kann nur eine „Lehrkraft“ mit einem Examen im Pflegeberuf prüfen. Die Regelung muss dementsprechend konkretisiert werden.  

„Die Schülerinnen und Schüler werden einzeln während der praktischen Ausbildung geprüft.“

  • Das erfordert bei einer Anzahl von 50 Auszubildenden im 2. Ausbildungsjahr ein Stundenumfang zur praktischen Zwischenprüfung von 212,5 h.

Gesamt: 212,5 h

ZP

Vorbereitungszeit in Minuten
--> schriftliche Erarbeitung

Fallvorstellung in Minuten

Durchführung der Pflegemaßnahmen in Minuten

Prüfungsgespräch in Minuten

Reflexion in Minuten

Pro SuS

60

15

120

45

15

Gesamt (50 SuS)

3000 min
= 50 h

750 min
=100 h

6000 min
= 100 h

2250 min
= 37,5 h

750 min
= 12,5 h

Diese Kalkulation der Arbeitszeit umfasst dabei noch nicht:

  • Anfahrt und Abfahrt zur/von der Einrichtung, in der die Zwischenprüfung stattfindet
  • Absprachen mit dem Träger der prakt. Ausbildung/Einrichtung zum Zeitpunkt der Prüfung und Auswahl geeigneter Klient*innen
  • Die Zeit des 2. Fachprüfers, der mit gleicher zeitlicher Intensität gebunden ist.
  • Dokumentation des Prüfungsverlaufs und der Ergebnisse.
  • Auch muss der Unterricht in der Schule in diesem Zeitraum sichergestellt werden. Es werden zeitgleich ein 1. und 3. Ausbildungsjahr vor Ort bzw. in der Praxis mit praktischen Examen und Praxisbegleitungen angeboten.
  • Zu bedenken ist, dass im selben Zeitraum die Vorbereitungen und Durchführungen der Examensprüfungen erfolgen. Das schwächt die Bedeutung entweder der Zwischenprüfung oder des Examens.
  • Der Zeitraum tangiert die Ferien / Urlaubszeit in Thüringen, sodass die Mitarbeitenden der Schule wie auch der praktischen Einrichtungen nicht zur Verfügung stehen. Der definierte Umgang und Zeitraum der Zwischenprüfung überlastet die Personalressource der Schulen und Einrichtungen.
  • Ein früherer Beginn im Ausbildungsverlauf ist zwar benannt, stellt aber Ergebnisse, die auf einer geringeren inhaltlichen Vermittlung in der Theorie und Praxisanleitung basieren, infrage. Das hat zur Folge, dass in der Zwischenprüfung die Kompetenzentwicklungen nicht beurteilt werden können.

Zu § 58 Abs. 6 Pkt. 3

„[…] Betreuung und Pflege von Menschen mit pflegerischem Hilfebedarf in verschiedenen Versorgungsbereichen erforderlichen Kompetenzen verfügt[…]“

  • Zu beachten ist, dass Kompetenzen lediglich in einem Setting / in Bereichen geprüft werden können, in dem sich die Auszubildenden in einem seiner Pflichteinsätze befinden. Die Schulordnung fokussiert im Widerspruch dazu „verschiedene“ Versorgungsbereiche. Diese Voraussetzung muss angepasst werden.  

Zu § 58 Abs. 7

„[…] sie benoten unabhängig voneinander jeweils die Erfüllung der praktischen Aufgabenstellung und das Prüfungsgespräch der praktisch-mündlichen Prüfung. Aus den jeweiligen Einzelnoten der Fachprüferinnen und Fachprüfer wird jeweils für den praktischen und den mündlichen Teil eine Teilnote ermittelt. Die Teilnote wird bis auf zwei Stellen nach dem Komma aus dem arithmetischen Mittel der Einzelnoten errechnet; es wird nicht gerundet. Aus den so ermittelten Teilnoten wird die Gesamtnote der praktisch-mündlichen Prüfung gebildet. Die Gesamtnote ergibt sich aus dem arithmetischen Mittel der Teilnoten des praktischen und mündlichen Teils der Prüfung; entsteht dabei ein Bruchwert, wird auf ganze Noten kaufmännisch gerundet.“

  • Die Ermittlung einer Teilnote bis auf zwei Stellen nach dem Komma muss präzisiert oder beispielhaft erläutert werden.

Zu § 58 Abs. 8

„[…] Wurde die Zwischenprüfung nicht oder nur knapp bestanden, ergreifen der Träger der praktischen Ausbildung und die Schule gemeinsam mit der Schülerin oder dem Schüler die zur möglichen Sicherung des Ausbildungserfolgs erforderlichen Maßnahmen.“

  • Diese zur Verfügung stehenden Maßnahmen müssen weiter konkretisiert werden. Denkbar sind unter anderem Ergänzungsunterricht, gesonderte Praxisanleitung oder eine zusätzliche Praxisbegleitung. Im vorliegenden Entwurf wird nicht deutlich, welchen zeitlichen Umfang die Maßnahmen einnehmen und wie deren notwendige Berücksichtigung bei den Ausbildungspauschalen erfolgt. Auch hierzu sind zusätzliche Erläuterungen notwendig.

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